30. März 2010

From Paris with Love, oder wie man den Amis einen “Royal with Cheese” serviert.

Luc Besson hat es geschafft den Amis einen „Royal with Cheese“ als Quaterpounder zu verkaufen. Der französische Regisseur avancierte in den letzten 15 Jahren zum erfolgreichsten Film Produzenten außerhalb der USA. Besson verkauft seine Filme in die ganze Welt und landet regelmäßige Hits in den Vereinigten Staaten. Das außergewöhnliche daran ist das die Produktionen von Besson keineswegs von den amerikanischen Filmen in der Qualität abfallen und nur auf den zweiten Blick als europäisch zu erkennen sind. Das Muster für seinen Erfolg schuf der Regisseur mit seinem möglicherweise besten Film. Leon der Profi war eine französische Produktion, welche jedoch in englischer Sprache gedreht wurde und in New York spielt. Die Hauptrolle spielte der Franzose Jean Reno, die anderen Rollen waren durchwegs mit amerikanischen Schauspielern besetzt (Gary Oldman, Danny Aiello). Hinter den Kameras arbeiteten jedoch vorwiegend Franzosen. Vom Kameramann bis zum Kabelträger verdingten sich die Landsleute des Regisseurs und schufen einen Film der zumindest technisch und optisch wie eine Hollywood Produktion auf den Zuseher wirkte, jedoch eine Geschichte mit gehörigem Tiefgang transportierte. Diese Mischung machte es aus und Besson arbeitet seitdem mit diesem Konzept. Nur wenige wissen dass der Science Fiction Kracher Das fünfte Element genau genommen eine französische Produktion ist. Natürlich finden wir in den Hauptrollen Stars wie Bruce Willis und Gary Oldman. Produziert hat jedoch die französische Firma „Gaumont“, gedreht wurde in England und Frankreich, Kameramann war Thierry Arbogast, für die Musik sorgte Eric Serra und für die Kostüme Jean Paul Gaultier - Alles Franzosen. Luc Besson trat in den letzten Jahren vermehrt als Produzent und Autor in Erscheinung, verwirklichte seine Ideen und verkaufte die Filme erfolgreich am internationalen Markt. Dazu gehören die Transporter Reihe welche Jason Statham zum Actionstar machte, Babylon AD mit Vin Diesel, Kiss of the Dragon mit Jet Li und 96 Hours mit Liam Neeson. Luc Besson ist schon längst ein Big Player am internationalen Markt und man fragt sich warum es den Engländern und den Deutschen nicht gelingt mit ihren Filmen ähnliches zu leisten. Die Engländer stemmen alle paar Jahre einen James Bond Film und dazwischen verlieren sie sich in mühsamen historischen Dramen und Literaturverfilmungen. Einzig Guy Ritchie konnte einige frische Akzente setzen aber der arbeitet jetzt auch lieber mit Luc Besson und enttäuschte mit seinen letzten Filmen. Noch schlimmer sieht es in Deutschland aus. Bully Herbig schafft es noch international erfolgreiche Filme zu drehen, aber dann wird es finster. Jerry Cotton war ein schlechter Witz und der Rest der germanischen Regisseure dreht, als würden sie für den ZDF arbeiten. Auch der ehemalige Erfolgsproduzent Bern Eichinger scheint das Gespür für gute Stoffe verloren zu haben. Die Bio über Peinlich-Rapper Bushido war wohl nix.
Luc Besson zeigt wie es geht. Sein letzter Coup ist der Actionkracher From Paris with Love mit John Travolta und Jonathan Rhys Meyers. Besson entwickelte die Geschichte und produzierte den Film. Am Regiestuhl saß Pierre Morel (96 Hours). Der Film erzählt die Geschichte einer Terroristenhatz. Die CIA Agenten Charlie Wax und James Reece schießen und prügeln sich durch Paris um einen Terroranschlag zu verhindern. In den heimischen Medien liest man von übertriebener und hohler Action und wundert sich. Während die völlig übertriebene und auch sinnfreie Action eines John Woo jahrelang als Filmkunst und Genialität gepriesen wurde, kriegt ein ähnlich gestrickter Film die kalte Schulter der Journalistenzunft. Wahrscheinlich liegt es daran, dass der CIA agiert. Antiamerikanismus ist ja immer noch modern und cool in „Good old Europe“. Geschenkt, der Film ist ein herrlich spritziger Actionfilm mit einer, zugegeben, sehr dünnen Geschichte. Morel gleicht dieses Manko mit seiner zügigen Regie aus und lässt seine Protagonisten ohne Pause von einer Katastrophe in die Nächste stolpern. Nebst der hervorragenden choreographierten Action ist es John Travolta der begeistert. Travolta legt mit seiner Darstellung des rüpelhaften CIA Cowboys Charlie Wax eine Spielfreude an den Tag, welche man von diesem Schauspieler schon lange nicht mehr gesehen hat. Neben Travolta verblasst selbst der talentierte Rhys Meyers in seiner auch etwas undankbaren Rolle als Schreibtischtäter, welcher in ein Abenteuer gestoßen wird. Natürlich hat man das alles schon mal gesehen, aber schon lange nicht mehr so witzig, rasant und unterhaltsam. Und so muss Kino sein. Tschaka Bum oder wie die Franzosen zu sagen pflegen: „Bon Jour“
Andi Bauer

28. März 2010

Sunday Morning Coming Down - Copy and Waste

Als „Hohles Actionkino“ bezeichnete Ö3 Filmexperte P.A. Straubinger den Actionkracher From Paris With Love. Hochgelobt wurden hingegen das Oscar-gekrönte Ghettodrama Precious (man ist ja politisch korrekt) und The Blind Side mit Sandra Bullock. Straubinger empfahl auch mit großer Begeisterung das neue Dreamworks Animationsabenteuer Drachenzähmen leicht gemacht und das Romantikdrama Remember me. Über Geschmack soll hier nicht debattiert werden, jedoch um die Frage der Seriosität. Die sehr oberflächige Bewertung der hervorragenden Actionkomödie From Paris With Love lässt erneut Zweifel an die Oberfläche blubbern, ob die unzähligen Filmexperten in den Medien all die Filme überhaupt gesehen haben, welche Sie bewerten oder nur voneinander abschreiben und Meinungen nachquatschen. Neun Filme sind diesen Freitag in Österreich angelaufen und Straubinger hat fünf bewertet. Hat er alle selber gesehen? Sein Urteil über From Paris With Love lässt zumindest daran zweifeln. Es kann natürlich sein das der Mann eine grundsätzliche Abneigung gegen Actionthriller hat, oder einfach das nachbetet was andere ihm vorgeben.
Auch bei den Experten von TV-Media erschleicht den Leser öfter das Gefühl, dass die Redakteure in einem Copy-Shop sitzen. Der kürzliche Bericht über den „relativen“ Erfolg von Avatar aufgrund der inflations-bereinigten Zahlen, war bereits Wochen zuvor im Boxofficemojo zu lesen. Es scheint, dass die morphogenetischen Felder außergewöhnlich stark auf die telepatisch bewanderten Schreiberlinge in den Redaktionsstuben wirken. Möglicherweise wurde auch nur von einigen Schlaubergern der Übersetzungscomputer angeworfen. Ein Schelm wer böses denkt. Warum selber schreiben, wenn andere schon gründlich recherchiert haben. Auch die TV-Media Hollywood Expertin und L.A. Korrespondentin Eva Sullivan „verkühlte“ sich unlängst mit ihren Artikel über Jake Gyllenhaal. Eva bezweifelte ernsthaft die Echtheit der Muskelpracht des Schauspielers in Prince Of Persia, da dieser während dem Interview spindeldürr war. Gyllenhaal drehte Prince Of Persia im Sommer 2008. Inzwischen hat der Mann drei weitere Filme abgedreht (Brothers, Nailed & Love and Other Drugs). Das der vorher gedrehte Prince Of Persia erst jetzt ins Kino kommt hat einerseits mit aufwendiger Nachbearbeitung zu tun und anderseits simple marketingtechnische Gründe. All dies herauszufinden ist keine Hexerei, wenn man nur will und dass sich innerhalb von 18 Monaten die Muskelmasse eines Menschen verändern kann, hat schon jeder von uns erlebt. Eva Sullivan betreibt eine seltsame Form des Journalismus, welche die Fragen aufwirft ob es sich um Inkompetenz, Absicht oder einfach nur Nachlässigkeit handelt. Vielleicht war es auch Rache und Sullivan hatte eine alte Rechnung mit dem Schauspieler zu begleichen - wer weiß das schon. Die Bemerkung über die angeblich gefälschten Muskelpakete ist schlicht unseriös.
Anderseits ist es offensichtlich auch beim ORF seit Jahren gang und gebe die Fakten so zu manipulieren, sodass diese ins ideologische Weltbild passen. Auch wenn man dafür junge Menschen zur Wiederbetätigung anstiften muss (so geschehen in der Schauplatz Reportage über Rechtsextremismus). Warum sollten sich dann andere an die Regeln halten, wenn der Staatsfunk vormacht, dass dies nicht notwendig sei und sein Handeln auch noch als legitim darstellt (so geschehen in der Club 2 Diskussion letzten Mittwoch).
Als Kinogeher wundert man sich jedoch über die unzähligen Beispiele von Faulheit und Schlamperei bei Filmkritiken. Allzu oft berichten Rezensenten über Filme welche sie vorab offensichtlich nicht gesehen haben. Möglicherweise liegt es daran, dass in unserer Mediengesellschaft jedes Provinzblatt sofort über alles berichten muss. Jeder Film, jede neue CD wird besprochen bewertet und gerankt. Das dabei die Qualität auf der Strecke bleibt liegt in der Natur der Sache. Es ist schlicht unglaubwürdig das ein Filmkritiker alle fünf Neuerscheinungen innerhalb von drei Tagen gesehen hat und diese auch vernünftig bewerten kann. Die “Copy & Paste“ Methode führt letztlich zur Meinungsverwässerung und die Rolle des Kritikers aufs Abstellgleis der Entwertung – „Copy and Waste“. Möglicherweise hat Straubinger From Paris With Love auch gesehen. Jedoch disqualifiziert er sich auch in diesem Fall als seriöser Kritiker. Actionfilme sollten nicht an Sozialdramen, sondern an Actionfilmen gemessen werden. Und From Paris With Love ist ein hervorragender, witziger und äußerst unterhaltsamer Actionthriller. Dieser Satz ist auch der Grund, dass an diesem Sonntag meine Kolumne etwas später erscheint. Ich musste mir noch From Paris With Love im Kino ansehen. Toller Film – Ganz Ehrlich.

Andi Bauer

Ps.: Eine ausführliche Besprechung zu From Paris With Love folgt morgen – hier in diesem Theater.

21. März 2010

Beautiful Loser

Alex Chilton ist letzten Mittwoch an Herzversagen in New Orleans gestorben – er wurde 59 Jahre alt. Dieser Umstand wird von einer weiteren traurigen Gewissheit begleitet, dass die meisten Leser dieser Zeilen mit dem Namen nichts anfangen können. Das ist keine Schande werter Leser, wurde doch der Musiker sowohl von den Medien wie auch Plattenkäufern Zeit seines Lebens und Wirkens ignoriert. Nur wenige, wie auch der Autor dieser Zeilen, hören seit vielen Jahren mit ungebrochener Leidenschaft die genialen Popwunderwerke des Alex Chilton.
Bereits mit 16 Jahren wurde Chilton Sänger der Soulgruppe „The Box Tops“ und kann ohne Bedenken als einer der Gründerväter des „Blue Eyed Soul“ (Weiße singen schwarze Soulmusik) bezeichnet werden. Der junge Sänger wühlte sich erfolgreich durch perlende Soulsongs. Aber es sollte seine Band Big Star werden welche das Genie des Mannes zur Geltung brachte. Nur drei Platten hielt die Formation zusammen und zerbrach an den üblichen Gründen wie Erfolglosigkeit, Inkompetenz der Plattenfirma, Ignoranz der Öffentlichkeit und daraus folgenden kreativen Differenzen. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Band in Folge chronischer Erfolglosigkeit beginnt zu streiten, kreative Prozesse zu hinterfragen und oft daran zerbricht. Für Spätgeborene welche die Platten von Big Star heute entdecken – und die Zahl dieser wächst stetig – ist es völlig unverständlich das die Band in den 70er Jahren nicht einen ähnlichen kommerziellen Statut erlangte wie die Eagles oder Fleetwood Mac. Popsongs allererster Güte und von betörender Schönheit erwarten den Hörer auf #1 Record,Radio City & Third. Ein schöneres Lied über die Magie der Jugend, kurz bevor das „Erwachsenwerden“ an die Tür klopft, als Thirteen werden Sie in diesem Universum nicht finden.

http://www.youtube.com/watch?v=EbZLWijskKc

Big Star gelang es die kompositorische Genialität der Beatles, mit einer Idee von Heavy Metal zu vermengen. Heute nennt man so was in Ermangelung besserer Begriffe „Power Pop“. Fans von R.E.M., den Foo Fighters und Wilco sollten unbedingt beginnen Big Star zu entdecken, sie werden viele Ideen ihrer Idole in den Alben der Band wieder finden. Big Star waren auch einer der Initialgeber für die Untergrund und Alternativbewegung in den 80er Jahren und ähnlich wie Velvet Underground Jahre davor, Auslöser dafür, dass viele junge Menschen eine Gitarre kauften, eine Band gründeten und in den Probekeller übersiedelten. Es mag ein Trost für Chilton gewesen sein, das er insbesondere in den letzten Jahren mehr Anerkennung für sein Werk erntete. Viele erfolgreiche Bands nennen Big Star als wichtigen Einfluss, Journalisten entdeckten die Lieder und Alben der Band und Universal kaufte den Katalog und veröffentlichte letzten Herbst die drei Studio Alben in einer hervorragenden Qualität. Die Profis von Rhino würdigten die Band mit einem exzellenten 4-CD Box Set. Umso tragischer mutet es an, dass die Band beim SXSW Festival http://www.sxsw.com/music in Austin/Texas dieses Wochenende auftreten sollte. Das jetzt spontan, befreundete Musiker in die Bresche sprangen um den Auftritt zu retten und Chilton zu würdigen ist zwar rührend aber zu spät. Alex Chilton war ein musikalisches Genie und schrieb einige der besten Popsongs des vergangenen Jahrhunderts. Die einzige Würdigung seines Talentes ist es seine Musik zu kaufen und diese zu hören. Sie werden es nicht bereuen.

Andi Bauer

Wichtigste Alben:
#1Record 1972
Radio City 1974
Third 1975
Keep an Eye on the Sky
(Box-Set) 2009

18. März 2010

Die vierte Revolution

Der Kinodokumentarfilm DIE 4. REVOLUTION - EnergyAutonomy kommt ab 18. März 2010 in die Kinos nach Deutschland und startet ab 15.4. in Österreich und ab 13.05. in der Schweiz.
Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme sind natürliche Energiequellen, die der gesamten Menschheit chancengleich, natürlich nachwachsend, kostenlos und auf lange Sicht zur Verfügung stehen. Nur das weit verbreitete Wissen um die Möglichkeiten der regenerativen Energien kann eine internationale Bewegung entfachen und die zwingend notwendige Energiewende einleiten.
EnergieAutonomie steht für eine Vision. Die Vision einer Gesellschaft, deren Energieversorgung nachhaltig, sauber und dezentral erfolgt, frei von schädlichen Emissionen und jeglicher Belastung für Mensch und Umwelt, frei von Monopolen, Kartellen und Lobbyisten, frei von politischen Abhängigkeiten und Ressourcenknappheit, zugänglich und erschwinglich für alle.

Der Kino-Dokumentarfilm DIE 4. REVOLUTION – EnergyAutonomy beschreibt anhand seiner Protagonisten, prominenter Umweltaktivisten, Nobelpreisträger, innovativer Unternehmer und Politiker, dass der Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien innerhalb der nächsten 30 Jahre möglich ist. Er verdeutlicht, welche Chancen die Energierevolution für eine nachhaltige ökonomische Entwicklung und soziale und ökonomische Gerechtigkeit bietet. Seine Botschaft: Der Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien ist jetzt möglich. Einzige Voraussetzung: Wir müssen diesen auch wollen!
Weitere Information unter www.energyautonomy.org oder www.4-revolution.de

Soweit die offizielle Information über den Film. Mein erster Eindruck ist ein gut gemachter Film, der natürlich auch etwas spektakulär erscheinen will, vieles vereinfacht darstellt und Schlagworte gebraucht, die wir überdenken sollten. Wie zum Beispiel der Slogan: "Freie Energie für alle!" Natürlich scheint die Sonne kostenlos - aber die Geräte, welche wir zur Energieumwandlung brauchen, sind nicht gerade billig. Ähnlich beim Wind und beim Wasser. Da wissen wir ja schon, wie das funktioniert - gerade in Österreich haben wir ja einen großen Anteil an Wasserkraft. Trotzdem ist diese Energie nicht "frei" - nicht einmal frei zugänglich für jedermann. Und was würde es helfen, wenn sie frei wäre? Mit Energie wird uns ein Leben ermöglicht, das nur funktioniert, wenn der Mensch dafür die Verantwortung übernimmt - und es scheint, dass wir noch nicht in allen Bereichen soweit sind.

Wenn wir uns bewusst machen, dass die gesamte auf die Erdoberfläche auftreffende Energiemenge der Sonne mehr als fünftausend Mal größer ist, als der Energiebedarf der Menschheit, sollte uns klar werden, dass eigentlich genug Energie für alle da ist - in Wahrheit leben wir in einer Welt der Fülle! Das Problem liegt, ähnlich als bei den Lebensmitteln, und anderen Ressourcen bei der Verteilung und dem Umstand, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem offenbar den Mangel braucht, um funktionieren zu können. Eine Demokratisierung der Energie betrifft demnach nicht nur die Energie, sondern unser aller Leben nachhaltig.
Wenn dieser neue Film auch nicht unbedingt eine Revolution auslösen wird, so regt er doch zu eigenständigem Handeln an und löst einen Umdenkprozess aus. Damit ist es sicher ein sehenswerter und auch spannender Sachfilm.
Eckhart Riehl

14. März 2010

Sunday Morning Coming Down – Die Kolumne am Sonntag

Nicht von dieser Welt

Man wunderte sich schon, als vor ein paar Jahren die NASA einen Song der Britpoper Blur ins All schoß. Quasi als erster popmusikalischer Kontakt für etwaige Außerirdische. Warum Blur, fragte sich so mancher. Die NASA hätte einfach einen Titel von Jimi Hendrix nehmen sollen. Jimis Musik ist sowieso nicht von dieser Welt und schwebt ungehindert durch Raum und Zeit. Seit über 40 Jahren beschäftigt der Mann Medien, Musiker und Rockfans. Gitarrengott, Junkie, Wahnsinniger, Hippie & Genie. Begriffe welche unweigerlich mit dem Namen Hendrix verbunden sind. Gerade hat seine neue Plattenfirma alte Aufnahmen hervorgezaubert, mit Valleys of the Neptun betitelt und als Album veröffentlicht. Angeblich in seinem letzten Lebensjahr aufgenommen. Dem geneigten Hörer begegnet Bekanntes (Stone Free), lang Ersehntes (der Titelsong), und die üblichen Variationen und Explosionen wie man es von Hendrix kennt. Ein Album wie der Gitarrist selbst - genial und zerrissen. Musik zwischen ausufernden Jams, elektrifizierenden Coverversionen (Sunshine on your Love) und genialistischen Spitzen. Ein erneuter Beweis für das außergewöhnliche Talent des Musikers, welches es nicht bedurfte. Es kommt ohnehin kein Gitarrennovize an dem Mann vorbei.
Neulich hat mir ein kluger Mensch und Gitarrist das Phänomen „Jimi Hendrix“ mit einem Satz erläutert. Als Gitarrenschüler fängt man zu Beginn an „Hendrix“ zu üben, um ihn dann jahrelang zu ignorieren und letztlich als weiser und alter Gitarrist zu ihm zurückzukehren. Ich denke dass es keine bessere Beschreibung für die Magie des Jimi Hendrix gibt. Das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende der Gitarre. Es ist natürlich müßig darüber zu diskutieren ob Hendrix der beste Gitarrist aller Zeiten war und immer noch ist. Seine Verfechter und anderer Sektierer werden von diesem (ihrem) Dogma nicht abweichen. Was jedoch als Tatsache festgehalten werden kann ist, dass Hendrix bis heute der faszinierendste Gitarrist der Rockmusik ist und bleibt. Selbst unmusikalische Holzköpfe (wie der Autor dieser Zeilen), können sich der Faszination seiner Kunst nicht erwehren. Bis Heute fragen sich Gitarristen in aller Welt, wie das dieser Mensch gemacht und gespielt hat.
Die einzige mögliche und auch schlüssige Erklärung ist – der Mann, war nicht von dieser Welt. Möglicherweise ist dem lieben Gott ein Engel entwischt, welcher mit den weltlichen Versuchungen nicht zu Recht kam, oder vielleicht verbarg sich ein gestrandeter Außerirdischer in der fleischlichen Hülle des Gitarristen. Denkbar wäre auch ein großer Irrtum des Universums, das dieses Wesen in unser Sonnensystem katapultierte. Ein Irrtum, welches am 18. 9. 1970 auf nicht sehr elegante Weise korrigiert wurde. Hendrix selbst machte in Vodoo Child klar das er auf dieser - unserer - Welt nur auf der Durchreise ist.

WELL THE NIGHT I WAS BORN
LORD I SWARE THE MOON TURNED A FIRE RED

WELL, MY POOR MOTHER CRYIN' OUT,
"OH LORD THE GYPSY WAS RIGHT"
AND I SEEN HER FELL DOWN RIGHT DEAD
HAVE MERCY

WELL, MOUNTAIN LIONS FOUND ME THERE
AND SET ME ON THE EAGLES WING
IT'S THE EAGLES WING BABY, WHAT CAN I SAY?

HE TOOK MY PAST THE OUTSKIRTS OF INFINITY
AND WHEN HE BROUGHT ME BACK
HE GAVE ME VENUS WITCH'S RING

….und er brannte sein Zeichen mit der Gitarre in die Herzen und Seelen der Menschen und verschwand wieder. Was blieb, ist der Klang seiner Gitarre und das Feedback, welches seitdem für ewig durch das Universum hallt.

Andi Bauer

11. März 2010

Alice zum wundern

Alice im Wunderland von Tim Burton

Tim Burton hat soeben seinen siebten Film mit seinem Lieblingsschauspieler Johnny Depp abgeliefert. Alice im Wunderland. Den Disneystudios war dieses 3D Abenteuer 200 Millionen Dollar wert, und beim Marketing wurde auch nicht gespart. Das Risiko scheint sich auszuzahlen, nach dem ersten Wochenende klingelten die Kassen. Über 200 Millionen Dollar wurden weltweit erwirtschaftet. Alice ist damit auf dem besten Wege Tim Burtons erfolgreichster Film zu werden. Nichtsdestotrotz ist es eine der schwächsten Arbeiten des ansonsten recht geschmackssicheren Regisseurs. Einzig sein völlig missratene Remake vom „Planet der Affen“ ist ein noch schlechterer Film. Burton ist eigentlich ein Phantast und gilt als Meister phantastischer Filmstoffe. „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Sleepy Hollow“ und auch die ersten beiden Batman Filme waren großes Kino. Burton wandelte geschickt am Grad zwischen Wahnsinn und Fantasie. Der Regisseur ist auch ein Könner der Bildsprache. Auch Alice schwelgt in visuellen Effekten. Die Welt der Unterwelt, die Natur, die unterschiedlichen Wesen und Tiere zerplatzen fast vor Ideen und sind beeindruckend anzusehen. Dies wird durch den 3 D Effekt noch zusätzlich verdeutlicht. Leider kommt dafür die Geschichte nicht in Fahrt. Alice stolpert durch die phantastische Welt, trifft diesen und jenen, stolziert ins Schloss der roten Herzkönigin und wieder raus. Alles schön anzusehen und doch leer, belanglos und unspannend. Der Film ist – man muss es leider sagen – langatmig und langweilig. Der finale Kampf gegen den Drachen wirkt dann weniger als Befreiung für das geknechtete Königreich, sondern vielmehr wie eine Erlösung für den Zuseher. Ein weiteres Manko ist auch die Unbestimmtheit der Produktion. Burton will es allen recht machen und landet zwischen den Stühlen. Für Kinder ist der Film streckenweise zu grausam und für Erwachsene zu kindlich und zu langweilig. Und die Teenager? Die haben keine Zeit, müssen Bushido hören und Konsole spielen. Alice im Wunderland wird schneller aus den Kinocharts verschwinden als ein weißer Hase hoppeln kann. Freuen wir uns lieber auf Tim Burtons nächstes Projekt. Eine animierte Horrorkomödie – „Frankenweenie“. Hört sich viel versprechend an. Damit könnte es dem Regisseur wieder gelingen zu begeistern und zu überraschen.

Andi Bauer

Break On Through (To The Other Side)

Der bekannte Hit der Doors hat sich mit der großen Frage beschäftigt. So wie viele andere Musiker, Schriftsteller, Filmemacher und früher oder später jeder Mensch. Mit der Frage, wohin gehen wir nach unserem physischen Tod. Wartet am Ende das große Nichts, das Paradies, das Nirvana, die Wiedergeburt oder doch was ganz anderes. Peter Jackson hat sich in seinem neuen Film auch dieser Frage gewidmet und zugleich nach dem „Der Herr der Ringe“ ein weiteres Buch verfilmt welches als unverfilmbar galt. Jacksons Film basiert auf dem Roman „The Lovely Bones“ von Alice Sebold.
Bereits die ersten Minuten des Films schockieren den Zuseher. Die 14 jährige Susie Salmon erzählt unverblümt, dass sie ermordet wurde. Seitdem ist ihr Geist in einer Zwischenwelt gefangen – in ihrem Himmel. Sie erlebt ihre trauernden Eltern, ihre beide verwirrten und verunsicherten Geschwister und beobachtet ihren Mörder (Stanley Tucci - beängstigend gut). Auf „Erden“ geht das Leben ihrer Familie weiter und diese zerbricht langsam am Schmerz und Verlust. Der Vater (Mark Wahlberg) sucht wie besessen nach Hinweisen um den Mörder zu stellen. Die Mutter (Rachel Weisz) zieht sich zunehmend zurück, verdrängt die Ereignisse und spricht davon nur mehr zwei Kinder zu haben. Einzig die unkonventionelle Großmutter (Susan Saradon – hervorragend) kann die Situation ein bisschen auflockern. Inzwischen beginnt Susie sich in ihrer neuen Welt zurechtzufinden, trifft andere Verstorbene und begreift langsam ihr Schicksal und ihren weiteren Weg. Der persönliche Himmel von Susie entpuppt sich rasch als Ort ihrer unterbewussten Erlebnisse. Jackson überblendet geschickt das Geschehene mit der Gegenwart und kreierte damit eine herausragende Darstellung einer möglichen spirituellen Zwischenwelt ohne in bekannte religiöse Klischees hängen zu bleiben.
Peter Jackson hat einen großen, traurigen, zutiefst berührenden und auch berauschenden Film geschaffen, welcher ihn endgültig zu einem der großen fantastischen Geschichtenerzähler Hollywoods macht.
Der Film selbst bietet auch keine endgültigen Antworten, (wer kann das schon) auf die eingangs gestellten Fragen, stellt jedoch einige neue kluge Fragen und verdeutlicht erneut die Wichtigkeit die größte aller menschlichen Freiheiten zu erlernen. Die Kunst los zulassen.

Andi Bauer

8. März 2010

Burma, Delfine und andere Irrtümer nach der Oscarverleihung

Heute lesen Sie meine „Sunday Morning Coming Down“ Kolumne ausnahmsweise am Montag. Ich will ja schließlich auch meinen Senf zu den Oscars dazugeben (sowie gefühlte 500 Millionen andere Blogger).
Nun, die erste Überraschung findet nur in Österreich statt. Obwohl von den heimischen Medien bereits als fix angenommen, wurde der Film „Das weiße Band“ nicht mit dem Auslandsoscar ausgezeichnet. Der Preis ging nach Argentinien. Ja, wie das denn? Machen Sie in diesem unbedeutenden Zwergenstaat in Südamerika überhaupt Filme? Daher mein Rat an die Academy: Bitte in Zukunft Rücksprache mit den österreichischen Meinungsmachern halten, damit so ein Fehler nicht mehr passieren kann. Selbst im Morgenjournal auf Ö1 wurde von einer großen Enttäuschung gesprochen da „nur“ Christoph Waltz“ den Oscar für die beste Nebenrolle abbekam. Schmach und Schande. Was jedoch in Österreich noch nicht so recht gelandet ist, sind die Fakten. „Das weiße Band“ ging als deutscher Beitrag ins Rennen und der Umstand dass Haneke in Wiener Neustadt zur Schule ging, verblasst unter der Tatsache, dass der gute Mann bereits seit 20 Jahren im Ausland seine Filme macht weil er in der Heimat keine Arbeit findet.
Nach dem Ausrutschen unserer Skihelden müssen wir auch noch diese Schmach ertragen.
Ansonsten, keine großen Überraschungen. Jeff Bridges und Sandra Bullock wurden als Hauptdarsteller geehrt. Bei Bridges zu recht, bei Bullock ein Zugeständnis an ihre Karriere und ihre Rolle in der wahren „American Dream“ Geschichte des Football Helden Michael Oher. Filme wie „The Blind Side“ braucht wahrscheinlich die von der Rezession gebeutelte USA. Geht in Ordnung.
Das gilt auch für den Regie Oscar an Kathryn Bigelow. Vor einem Jahr hatte keiner mehr die Dame auf der Rechnung. Ihr einziger Hit „Gefährliche Brandung“ lag weit zurück (1991) und ihr Irakdrama „The Hurt Locker“ war noch ohne Kinoverleih in den USA und wurde nur auf einigen internationalen Festivals gezeigt. Der Film floppte auch im Spätsommer an den Kassen. Der Grund dafür war der halbherzige Vertrieb und ein nicht vorhandenes Marketing. Inzwischen entwickelte sich der Streifen zum Kritikerliebling, gewann Preise und räumte überraschenderweise sechs Oscars ab. Der Preis für den besten Film ist trotzdem nicht nachvollziehbar und gebührt eigentlich AVATAR. Diese Auszeichnung kann nur im Lichte des für Amerika inzwischen sehr unangenehmen Irakkriegs gesehen werden. Der Film bezieht keine Stellung, hat keine Heldenfiguren, sondern erzählt nur auf sehr realistische Weise die Geschichte eines Bombenentschärfungs-Teams im Irak. Der Job ist nicht angenehm aber jemand muss ihn tun. So wie die US Armee im Irak festsitzt und nicht mehr weiß wie sie da noch halbwegs als „Sieger“ mit einem blauen Auge rauskommen soll. Der Film und dessen jetzige Auszeichnung zeigt wie schwer sich die USA mittlerweile mit diesem Krieg tut. Bigelow widmete den Preis auch den „Männern in Uniform“ welche für uns ihr Leben riskieren. Helden sehen anders aus und im Irak gibt es die schon lange nicht mehr.
„The Hurt Locker“ als besten Film des Jahres auszuzeichnen wird der Academy noch lange nachhängen, da der Streifen dafür doch zu dünn ist und letztlich auch zu wenig zu sagen hat. Da ist sogar AVATAR, dem man zu Recht ein schwaches Drehbuch vorwirft, letztlich aussagekräftiger.
Daß die Oscars sehr politisch sind, zeigte auch die Auszeichnung für den besten Dokumentarfilm. Nachdem Al Gore für seine Märchenstunde „eine unbequeme Wahrheit“ schon Oscar und Friedensnobelpreis mit nach Hause genommen hat wird ein weiterer Tierfilm von der Mafia der politisch Korrekten gekürt. „The Cove“ dokumentiert das bestialische Abschlachten von Delfinen in Japan. Zugegeben erschütternd und tragisch. Aber warum wurde der hervorragende Dokumentarfilm „Burma VJ“ übergangen. Die Aufnahmen über das Wüten des Regimes in Burma wurden unter Lebensgefahr gedreht. Auch die berührende Doku „Which Way Home“ über mexikanische Kinder und Jugendliche, welche jahrelang verzweifelt auf der Suche nach ihren Eltern sind wurde von der Academy ignoriert. Wenn es um Tiere geht haben unterdrückte und geknechtete Menschen keine Chance. Verdrehte Werte in einer verwirrten Welt, welche auch bei der Oscarverleihung zum Ausdruck kamen. So politisch die Acadamy agiert, so fragwürdig entwickelt sich die Bedeutung der Oscars als Filmpreis. So ist es völlig unverständlich das „The Lovely Bones“ von Peter Jackson – einer der besten Filme des letzten Jahres - nicht nominiert wurde. Auch Woody Allens letzter Film „Whatever works“ hätte zumindest eine Nominierung fürs beste Drehbuch verdient. So pendelte die Oscar Nacht ein weiteres Mal zwischen Opportunismus und einer Anbiederung an den Zeitgeist. Mit Filmkunst hat das nur mehr wenig zu tun.

Andi Bauer