29. August 2009

Beim Leben meiner Schwester

"Beim Leben meiner Schwester" verspricht in der Vorschau ein Film darüber zu sein, dass die Tochter von Cameron Diaz an Leukämie erkrankt ist (Kate) - und nur die zum Zwecke der Heilung dieser Tochter erzeugte weitere Tochter /Anna) ihr Leben retten kann. Diese von Abigail Breslin gespielte Tochter jedoch verklagt ihre Eltern im Alter von 11 Jahren auf ihr Recht selbst über ihren Körper entscheiden zu dürfen und ihrer todkranken Schwester Kate eben nicht die dringend benötigte Niere zu spenden...

 

Der Film selbst erzählt aus den verschiedenen Sichtweisen der Beteiligten, wie sich die Krankheit eines Familienmitglieds auf das Leben des einzelnen und die gesamte Familie auswirkt. Die Mutter, die ihre Karriere aufgibt um das Leben ihrer Tochter um jeden Preis zu retten. Der Vater, der sich in die Arbeit stürzt und diese Bürde ganz der Mutter überlässt. Der ältere Sohn, der nie beachtet wurde. Die jüngste Tochter, die ihr ganzes Leben lang als Universalspenderin für ihre Schwester herhalten musste. Und natürlich die kranke Tochter Kate selbst.

 

Nun könnte man meinen einen von Depression durchzogenen Film zu sehen. Doch eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Auf geschickte Art und Weise, gepaart mit zahlreichen Rückblicken, ist dieser Film ein Plädoyer für das Leben. Und zwar für das Leben im Hier und Jetzt.

 

Trotz der alles überschattenden Krankheit und den sich dadurch ergebenden vielen Problemen ist dieser Film eben nicht durch durchwegs negativ, sondern überwiegend positiv. Es werden auch die aufkommenden ethischen Fragen diskutiert und die gegensätzlichen Standpunkte der "Parteien" gut, solide und vor allem nachvollziehbar erklärt.

 

Hervorzuheben ist, dass die kranke "Kate" so hervorragend geschminkt und gespielt wurde, dass man meint sie sei tatsächlich todkrank. Dies soll jedoch nicht davon ablenken, dass sämtliche Schauspieler ihre Rollen großartig und sehr überzeugend gespielt haben.

 

Der Film fällt in das Genre des Dramas - und natürlich fließen bei so manchen (auch glücklichen) Szenen Tränen im ganzen Kinosaal. Doch lehrt uns der Film, zu "leben" und dankbar zu sein.

Deshalb empfehle ich jeden die salzigen Tränen beim sehen dieses Films in Kauf zu nehmen um danach vielleicht ein klein wenig besser "das Salz in der Suppe des eigenen Lebens" zu erkennen.

 

Mit salzigen Grüßen...

 

Mario Grabner

 

 

 

11. August 2009

Heiß & Kalt

Public Enemies  von Michael Mann   derzeit im Kino

 

Michael Mann hat 1995 mit Heat seinen bislang besten Film gedreht. Heat ist ein dichtes, spannendes Actiondrama welches bei seinen Figuren in die Tiefe geht. Einer der besten Cop-thriller überhaupt. Sein neuer Film Public Enemies ist, wenn man so will, ein Remake von Heat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Film auf wahren Begebenheiten basiert während Heat reine Fiktion ist. Erstaunlicherweise bleibt Heat nicht nur der bessere Film, er wirkt auch realistischer und wahrhaftiger. Die Geschichte von John Dillinger welche in Public Enemies erzählt wird ist durchwegs interessant und beinhaltet auch genug Stoff für einen Film. Publik Enemies spielt in den 30er Jahren des 20 Jahrhunderts, orientiert sich aber all zu stark sowohl im Rhythmus wie auch mit seinen Figuren an Heat. Nicht nur das Mann sich selbst zitiert und bei seinen eigenen Filmen klaut – er macht es nicht mal richtig. Johnny Depp spielt John Dillinger einen – so sagt es zumindest die Legende – sympathischen Bankräuber welcher in den 30er Jahren zum Staatsfeind Nr.1 wurde und zur Zielscheibe für das neu gegründete FBI. Der Film schafft es leider nicht für Dillinger und seine Geschichte zu begeistern. Die Raubzüge wirken routiniert und sind spannungsarm, Dillingers Beziehung zu seiner großen Liebe Billie ist flach und unglaubwürdig und die angeblich starke Loyalität unter den Gangmitgliedern wird nur angedeutet und ist nie spürbar. Johnny Depp bleibt als John Dillinger distanziert und schafft es nicht das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Noch schlimmer präsentiert sich die Gegenseite. Die FBI Agenten bleiben Gesichts und konturenlos. Angeführt von einem unsympathischen Melvin Purvis dargestellt von einem unmotivierten Christian Bale auf Autopilot.  Bale grummelt sich stoisch und emotionslos durch seine Rolle. Mit keiner Bewegung oder Mimik vermittelt der Charakter das Gefühl Dillinger fassen zu wollen. Keine Spur von einer Leidenschaft wie sie Al Pacino in Heat zeigte, und diesen Vergleich muss sich Michael Mann gefallen lassen wenn er schon ungeniert sich selbst zitiert.

So stolpern die FBI Agenten immer wieder scheinbar zufällig in Dillingers Bande und verpassen diese auch, sei es aus Schlamperei oder Inkompetenz. Christian Bale galt noch vor einigen als Hoffnungsträger – heute gönnt man ihm nur noch eine Pause und ein paar „kleine“ Filme. Regisseur Mann schafft es auch nicht seine durchwegs kompetente Darstellerriege in Szene zu setzen. Die Figuren verschwimmen in einem grauen Meer aus Mänteln, Hüten und Nebel und werden dabei von einer fahrig wackeligen Kamera verfolgt. Das einzige was beim Zuseher positiv hängen bleibt ist die hervorragende Ausstattung. Autos, Kostüme, Bauten und Einrichtungen schaffen es den Geist der 30 Jahre lebendig zu werden. Schön, aber nicht genug um einen Film als gelungen zu bezeichnen.

Das wirklich traurige an Public Enemies ist nicht etwa die verschenkte Gelegenheit sondern die schleichende Gewissheit das Regisseur Michael Mann sein kreatives Pulver inzwischen verschossen. So war sein letzter Ausrutscher Miami Vice (2006) noch verzeihliches Bubenkino mit viel Style, schönen Menschen, glatter Oberfläche, jedoch ohne Substanz. Bei Public Enemies scheint das Ende der kreativen Fahnenstange für Michael Mann jedoch endgültig erreicht zu sein. Das ist das wirkliche Drama.

 

Andi Bauer

 

 

6. August 2009

Everlasting Everything


Wilco sind derzeit die beste Band aus den USA. Seit ihrem Debütalbum 1994 hat sich die Band entwickelt, an ihren Songs geschraubt, den Sound variiert und jetzt stehen Sie plötzlich im Mittelpunkt, als Musiker welche offensichtlich alle Versprechen einlöst, auch jene die nie gegeben wurden. Das neue Album ist von einer kompakten Größe, durchdringenden Schönheit und beinhaltet eine nachhaltige Magie welche unweigerlich in den Bann zieht. Ich habe mich nach über 20 Durchläufen immer noch nicht satt gehört und freue mich, während gerade im Hintergrund deeper down von der Platte läuft bereits auf die nächste Gelegenheit in diese außergewöhnliche Musik einzutauchen. Wie in einen klaren Bergsee an einem heißen Augusttag, wo die Kombination aus frischem Wasser und strahlender Sonne die Kraft hat alle Sorgen schmelzen und vergehen zu lassen.

Das erste Lied hat den rührenden Titel Wilco ( the Song) und kommt daher, also ob ein gelaunter Neil Young versucht einen Song vom White Album der Beatles zu spielen. Im Refrain singen die Kerle „Wilco loves you“ und man glaubt ihnen sofort. Nach dem witzigen aber musikalisch noch holprigen Einstieg umschlingt der nächste Titel gleich wie die lang verloren geglaubte Lieblingsdecke an einem kalten Wintermorgen. Deeper down startet mit einer warmen akustischen Gitarre serviert bereits nach Sekunden den betörenden Refrain. Jeff Tweedy singt „deeeeper down“ und Neil Cline`s Slidegitarre nimmt den Song auf und trägt ihn in ein fernes Feenreich und den unvorsichtigen Hörer nimmt er gleich mit – für immer möglicherweise. Nach so vielen Tausenden Gitarren in der Rockmusik ist es erstaunlich das es noch Gitarristen gibt die mit einer Frische begeistern können also ob dieses Instrument gestern entdeckt wurde. One wing verweilt noch eine Weile im Feenreich während Bull Black nova aus den Träumen reist und mit verzerrt elektronischen Klängen auf den Boden zurückholt. Danach kommt der Hit der nie einer werden wir weil die Ignoranten in den Formatradiostationen schon lange für Schönheit taub sind und ihre endlose „Pink - Reamon - Lady Gaga - Schleife spielen als ob es nichts anderes gäbe. Wir wissen es natürlich besser. You an I ist ein Duett mit der großartigen Feist und einen besseren Titel für den Heimweg um drei Uhr morgens wird es heuer nicht mehr geben. Zur Einstimmung gibt’s einen Clip von einem Auftritt bei der Letterman Show.

Dann folgt noch das zärtlich zerschossene Country disappeared, das von Streichern umwebte Solitaire, das trotzig, kraftvoll hoffnungsvolle I´llfight. Sonny feeling stolpert wie ein verlorener Countryrocker durch die Platte und den Abschluß bildet das elegische Everlasting Everything. Und immer dabei Neil Clines entrücktes Gitarrenspiel. Und das ist sie aus – die neue CD von Amerikas bester Band – und man beginnt das Teil sofort wieder von Anfang zu hören. What else – würde George Clooney sagen.

Andi Bauer

1. August 2009

BRUCE

Live im Wiener Ernst Happelstadion – 5. Juli 2009

 

Sein späterer Manager Jon Landau nannte ihn  „The Future of Rock n´Roll“. Andere nennen ihn nur Bruce Springsteen und bestaunten seine kraftvollen Rocksongs, später kam die E-Street Band in Nennungen verlässlich dazu. In den 80er Jahren – wo die ganze Welt kollektiv zum Fan mutierte – nannte man den Mann schlicht und treffend den „Boss“.

Und heute, wenn er auf Tour ist und die Stadien füllt – heute nennen wir in einfach - Bruce. Wie einen guten alten Freund der auf Kurzbesuch ist. Denn seine Lieder sind inzwischen auch gute Freunde geworden. Unkapputtmachende Klassikern hat der alte Hund geschrieben. Am 5. Juli kam Bruce wieder mal nach Wien um seine Lieder zu singen und zu spielen und natürlich hatte er seine Kumpels von der E-streetband dabei. Das wenig bekannte Jacksoncage vom River Album macht den Anfang – und alle sangen mit. Mit dem darauf folgenden Badlands brachen bereits alle Dämme. Trotz verwaschenen Sound gab es kein Halten mehr. Mando Diao und all die anderen Rocker würden kollektiv Teile ihrer Gliedmassen opfern um nur EINMAL so einen Song zu schreiben. Bruce hat nicht einen, sondern dutzende solcher Lieder und er schmeißt sie verschwenderisch unters Volk und sich mit dazu. Immer wieder zieht es ihn zu den Massen. Er taucht in die Menge, lässt seine Gitarre von unzähligen Händen spielen und freut sich wie ein kleiner Bub über die euphorischen Reaktionen seiner Fans. Nach Badlands rollt Cover me über die Massen, dann folgen drei neue Titel von Working on a dream mit einem dazwischen liegenden aufgekratztem Darlington county. Ein zorniges Seeds kommentiert die Finanzkrise, Johny 99 setzt noch mehr Wut drauf. Dann, Darkness on the edge of town, Tränen, Verzweiflung, Hoffnung und Freude. Growing up vom allerersten Album wird lautstark auf den Tafeln des Publikums gefordert. Bruce sammelt die Tafeln ein und fackelt die Nummer mit Inbrunst ab. Der Kerl ist - genauso wie das Lied - seit 1972 nicht mehr gealtert. Es folgt ein gut abgehangenes Rendevous, 4th of july und because the night – das Stadion tobt. Das auf Platte schwächelnde  Sunny day mutiert zur Mitsinghymne gefolgt vom Promised land – hat auch schon 31 Jahre auf dem buckel und klingt dennoch taufrisch.

Sometimes I feel so weak I just want to explode
Explode and tear this whole town apart
Take a knife and cut this pain from my heart

Alle singen mit - Heiliger Zorn. The River spielt Bruce (fast) allein. Gitarre, Harmonika & Gänsehaut. Und so folgt Klassiker auf Klassiker. Die E- streeet band begleitet kompakt wie gewohnt und der kleine Neils Lofgren erweist sich erneut als musikalischer Direktor. Gibt es ein Seiteninstrument was der Mann nicht spielen kann? Im Grand finale werden natürlich die ewigen Gassenhauer abgefackelt. Born to run, Cadillac Ranch & Tenth Avenue Freeze. Dazwischen schreit Bruce ins inzwischen erschöpfte Publikum: We can`t Stop now“ und legt noch nach. Dancing in the dark und twist and shout aber dann ist es wirklich aus. Bruce kann sogar darauf verzichten seinen besten Song nicht zu spielen. Thunder Road glänzt durch Abwesenheit und niemand ist ihm niemand böse. Dafür spielt er meinen persönlichen Favoriten. „Bobby Jean“ - DAS Lied über Freundschaft und Abschied.

  And I'm just calling one last time not to change your mind
But just to say I miss you baby, good luck goodbye, Bobby Jean”

Und wieder geweint - Wer kann diesem Mann live das Wasser reichen?

„Nobody in this universe“

 

Andi Bauer