Sechzigjährige mit Tränen in den Augen – Mehr Glatzen und graue Haare als bei der Wiener Seniorenmesse – dazwischen ausgelassen tanzende und singende Jugendliche – auf der Bühne fünf junge Musiker in schwarzem Leder – mitten unter ihnen ein 69jähriger gewandet in einem weißen Südstaatenanzug mit Gauchohut und Bärtchen. Dieser wirkte wie ein argentinischer Mafioso welcher mit Gitarre, Orgel und Mundharmonika seine Lieder darbot und nicht richtig singen kann.
So war es beim Bob Dylan Konzert in Dornbirn. Seit 1988 ist der sture Alte auf seiner „Neverending Tour“, spielt bis zu 200 Konzerte im Jahr, hält sich an keine Konventionen, Marketingpläne oder andere Erwartungen kleingeistiger Manager, Journalisten & vermeintlicher Experten. Dylan spielt schon lange keine „Greatest Hits – Konzerte“ mehr. Vielmehr dekonstruiert er seine bekannten Lieder fast bis zur Unkenntlichkeit, arrangiert um und variiert nach Lust und Laune. „A Work in Progress“ wie man so schön sagt. Dylan startete als Folksänger, wandte sich später dem Rock, Country und Gospel zu, um jetzt seine Lieder zum Blues heimzuführen. Unterstützt wird er dabei von einer jungen hungrigen Band, welche gut geölt interagiert, mit einer ordentlichen Prise Salz & Pfeffer und leider einer Spur zu wenig Essig. Das ist dem vergnügen jedoch nicht wirklich abträglich. Das Konzert in Dornbirn startet mit einer rotzig, rockigen Version von „Leopard-Skin Pill-Box Hat“.
Das anschließende Don`t Think Twice wird als hatschender Blues serviert. „Just Like Tom Thumb`s Blues“ wurde zerlegt und neu zusammengefügt. Auch beim Klassiker „Just Like A Woman“ blieb keine Note wie sie war. So ging es den ganzen Abend, ein Ratespiel welchen Song hier Bob neu Interpretiert. „Honest With Me“ from großartigen „Love And Theft“ Album rockte wie Sau und wurde in Punkto Dynamik nur noch von „Highway 61“ übertroffen. Hier brannte die Band lichterloh, während der Meister, gleich einem Priester, die Orgel malträtierte um die gläubigen Massen aus der Dunkelheit zu führen. Vordergründig betrachtet agierte Dylan wie ein clownesker Zeremonienmeister und doch dirigierte er die Band messerschaft mit kleinsten Gesten. Die zwei Zugaben ließen beim Publikum dann alle Dämme brechen. Der beste Rocksong aller Zeiten – „Like A Rolling Stone“ – kommt als zerdehnte und zerknirschte Hardrockvariante angehumpelt – grandios und unzerstörbar. „How does it feel to be on your own”…….weise Worte eines ewig Suchenden. Dann folgte das Schlusswort. Und ein besseres hätte er nicht liefern können, als sein schönstes Liebeslied zu spielen. „Forever Young“ wird als zerschossene, dreckige Bluesballade dargeboten und somit konsequent in den Heimathafen zurück gelotst. Denn auch Bob weiß, dass es die ewige Jugend nicht gibt. Durch die permanente Umgestaltung seiner Klassiker zeigt er uns allen um was es im Leben wirklich geht. Wachstum, Veränderung und die Suche. Dafür braucht der Alte keine Worte sondern spielt einfach seine Lieder, so wie er sie derzeit empfindet und ist damit mehr bei sich selbst, als die meisten von Erwartungen und Erfolg getriebenen Musiker und Künstler.
Andi Bauer
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