Nachdem ich die ersten drei Staffeln Dr. House genossen habe, bleiben eigene Erkenntnisse über das Genie so mancher US-Serien.
Die Amis machen die mit Abstand besten TV-Serien der Welt. Es liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Kerle in jedem Zimmer einen Fernseher laufen haben und am meisten vor dem Schirm sitzen, liegen, essen, laufen oder sich sonst wie bewegen. Der Konkurrenzkampf der unterschiedlichen TV-Stationen sorgt sicher auch für Schübe von Kreativität. Unser lieber ORF hat hier vergleichsweise nichts zu befürchten. Der kriegt die Defizite vom Steuerzahler ausgeglichen. Dementsprechend sieht das Programm auch aus. So läuft es eben in „Demokratien“ zwischen Kuba und Nordkorea. Aber das soll hier nicht verhandelt werden, der Tag ist viel zu schön.
Es war Jerry Bruckheimer - der derzeit erfolgreichste US-Produzent (Beverly Hills Cop, Top Gun, Fluch der Karibik & Prince of Persia) - welcher Ende der 90er Jahre die TV-Serien aus der Schmuddelecke holte und aufwertete. Bruckheimer startete CSI-Las Vegas mit einem Millionen Budget und lieferte dem Zuseher Kinoflair fürs Wohnzimmer. Seitdem werden die US-Serien stilistisch, inhaltlich und auch darstellerisch immer besser. Die Sopranos, Lost, The Wire begeistern Kritiker wie Publikum.
Dr. House hat diesen Bogen noch weiter gespannt und liefert eins der ungewöhnlichsten TV-Konzepte. Ein Ekel als Titelfigur. House – glänzend dargestellt von Hugh Laurie - ist ein Misanthrop und Arschloch allererster Güte, ein kaltherziger Egoist. Das einzige was diese Figur vorm Ausstoß aus der Gesellschaft bewahrt, House ist ein Genie als Arzt und Diagnostiker.
In unzähligen Situationen hätte House die Gelegenheit gehabt auch ein Herz zu zeigen. Er hat jedes Mal den bangenden Zuseher - „House hat sicher auch eine gute Seite“ - enttäuscht. House beleidigt seine Patienten, beschimpft und demütigt seine Chefin, betrügt und hintergeht seinen besten Freund und behandelt sein Ärzteteam wie minderwertige Idioten. House zeigt nie Reue noch Einsicht, er hat immer recht. Kurze Momente der Menschlichkeit zeigt House gegenüber Tieren und wenn er allein ist.
Sein verkrüppeltes Bein macht ihn zu einem Süchtigen nach Schmerzmitteln und gibt ihm gleichzeitig Anlass und Rechtfertigung die Welt zu hassen. Überdies ist House entwaffnend ehrlich und lügt trotzdem wenn es ihm passt oder nützt.
House ist ein medizinisches Genie und eine menschlich gescheiterte und bemitleidenswertende Figur. Als Zuseher wünscht man sich insgeheim seine Direktheit und Rücksichtslosigkeit mit welcher er seiner Umwelt begegnet und würde trotzdem keinen Tag mit ihm tauschen angesichts seines einsamen und trostlosen Lebens. Und trotzdem macht es einen Riesenspaß und diebische Freude Dr. House dabei zu beobachten, wie er seiner Umwelt das Leben schwer macht.
Das macht Dr. House zu einem schmerzhaften Spiegel für unsere dunkelsten Seiten und die Serie zum TV-Highlight der letzten Jahre. Ich kenne derzeit nichts Besseres am Heimkinoschirm.
„Brot & Spiele“, niemand hat es besser drauf als die Amis.
Andi Bauer
22. Mai 2010
16. Mai 2010
Sunday Morning Coming Down - Der programmierte Sommerhit Robin Hood läuft in den Kinos und seitdem sieht es stark nach Regen aus.
Robin Hood kündigt einen Sommer der leeren Versprechen an. Der „Sommer“ ist ja von allen Jahreszeiten ein verlogener Bastard. Er verspricht Sonne, Erholung und feurige Liebschaften. Am Ende bleiben meist verregnete Tage, Urlaubsstress und missglückte Romanzen. Der blühende Frühling, der bunte Herbst und der kalte Winter geben sich da viel verlässlicher. Somit ist es auch keine Überraschung, dass die groß angekündigten Hollywood Blockbuster für den Sommer jedes Jahr erneut auch nicht ihre Versprechen einhalten. Der zweite Iron Man dümpelt bereits relativ inspirationslos durch die Kinos. Die Besucher fragen sich, ob sie unbedingt wissen müssen das Tony Stark einen Vaterkomplex hat und ob die Idee des russischen Bösewichts mit Starkstrompeitschen so eine tolle Idee darstellt. Ist es nicht und brauchen wir auch nicht. Genauso wie die Welt keine weitere Robin Hood Verfilmung braucht. Dies scheint zumindest ein kollektives Gefühl zu sein, obwohl die letzte - durchwegs passable Verfilmung - bereits 19 Jahre zurück liegt. Die Geschichte des rächenden Waldläufers wurde einfach schon zu oft und auch gut genug erzählt. Ridley Scott scheint das auch zu wissen, denn er wird nicht müde zu erwähnen dass seine Verfilmung die einzig wahre Geschichte des Robin Hood erzählt. Wenn Herr Scott nicht persönlich dabei war – vor ca. 800 Jahren – dann wird sein Film ähnlich spekulativ sein, wie all die anderen Verfilmungen. Scott erzählt eine leicht verwirrende Geschichte des Mannes der zum Robin Hood wurde. Es geht um Kreuzritter, intrigierende Franzosen, Verwechslungen, Krieg und den einfachen Schützen Robin Longstride. Der sich durchmogelt und am Ende plötzlich zum Freiheitskämpfer mutiert. Eine Wandlung die weder emotional noch faktisch nachvollziehbar ist. Die Erkenntnis, dass der Vater ein philosophischer Freiheitskämpfer war, kommt viel zu spät um als Motiv durchzugehen. Bis dahin mutet man den Zuseher eine unglaubwürdige Romanze zwischen Robin & Marian an und liefert dazwischen die obligatorischen Kämpfe und Schlachtgemälde, welche - zugegeben - hervorragend inszeniert sind. Das, mit Verlaub, kann Ridley Scott. Er weiß wie man eine Kamera aufstellt und lässt den Zuseher das Blut, den Schweiß und die Tränen des Schlachtfelds miterleben. Und es reicht trotzdem nicht. Die Geschichte nimmt den Zuseher emotional nicht mit. Robin Hood ist eine unnötige Neuverfilmung, die versucht eine Folge „History Channel“ mit einem Russell Crowe anzuheizen. Cate Blanchet darf nicht mal das und wirkt völlig verloren zwischen dem authentischen Dreck und der rauen Männerwelt. Der Film wirkt auch wie ein verzweifelter Versuch die Geschichte von Gladiator in einer anderen Dimension fortzusetzen. Gladiator ist der beste Historenfilm seit Jahrzehnten und es mag als unfair anmuten diesen Film erneut als Maßstab heranzuziehen. Der Vergleich wird jedoch von der Marketingkampagne und dem Regisseur eingefordert. Auf dem Poster liest man in breiten Buchstaben „Vom Regisseur von Gladiator“ und Scott zitiert sein Meisterstück in einigen Szenen so augenscheinlich dass jedem Zuseher unweigerlich das Gefühl beschleicht, in eine schlecht konstruierte Fortsetzung geraten zu sein. Für das Filmstudio Universal droht nach Wolfman, Repoman und Green Zone in dem noch jungen Kinojahr nun der vierte Flop in Folge. Wenn das so weitergeht werden in den nächsten Monaten einige Herren in den Chefetagen ihre Schreibtische räumen. Denn es ist unwahrscheinlich, dass sich die Amerikaner diese überflüssige Lektion an europäischer Geschichte in antut. Das hat schon bei Königreich der Himmel und King Arthur nicht funktioniert. Die Amis wollen scharfe Fronten und einen glasklaren Helden der gegen böse Unterdrücker kämpft. Dieser Robin Hood hat nichts davon und bietet nur einen müden Russell Crowe und eine unterforderte Cate Blanchet. Der bisher beste Sommer Film in diesem Jahr bleibt der im April gestartete Kick Ass. Die überdrehte Actionkomödie löst all die Versprechen ein, die Andere gegeben haben. Vielleicht kriegt der Sommer doch noch die Kurve.
Andi Bauer
Andi Bauer
8. Mai 2010
Sunday Morning Coming Down „Darf’s noch ein bisschen billiger sein?“- AVATAR um 7,99 Euro
Der bahnbrechende Filmhit AVATAR hat 500 Millionen Dollar gekostet und in den Kinos weltweit über 2,7 Milliarden eingespielt. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb wird die gerade erschienene DVD zum Bettel von 7,99 Euro verschleudert. Die Blue Ray Disc gibt es schon um Euro 14,99. Inzwischen gibbts die DVD sogar schon gratis, wenn man ein TV-Media Abo für vier Wochen bestellt. „Perlen vor die Säue werfen“ wundert sich so mancher Kenner der Szene. Kosten doch andere neue DVD Neuheiten immer noch 17.99 bis 19,99.
Der Preiskrieg im Elektrohandel um die DVD trieb in den letzten Jahren immer seltsamere Blüten. Als zur Jahrtausendwende das Medium seinen Siegeszug antrat kosteten die Filme noch ca. 25 Euro. Der Handel sah in den Silberscheiben nicht nur einen Ersatz für die veraltete Videokassette, sondern auch eine Möglichkeit die bereits kränkelnden CD-Umsätze zu kompensieren.
Überdies war das neue Medium ein beliebter Werbeträger, um Kunden mit attraktiven Preisen in die Häuser zu locken. Der Verkaufspreis von 19,99 für neue Filme auf DVD hat sich schnell etabliert und würde vom Kunden akzeptiert. In den Großkonzernen geht es jedoch selten um eine simple Gewinnrechnung, sondern oft um Marktanteile und die Verdrängung der Konkurrenz. Der Branchenriese Warner war das erste Majorstudio welches am Preis schraubte und eine zweite Vermarktungsschiene einzog. Ältere Titel wurden um 9,99 Euro angeboten und schon bald rutschten auch Neuheiten nach sechs Monaten in diese Schiene und wurden unter zehn Euro vom Handel verkauft. Die anderen Studios zogen natürlich nach. Fox etablierte erfolgreich die „Hollywood Collection“ und auch die anderen Studios zogen mit Ihren Preisen nach.
Eine Praxis, welche bei Büchern und Multimedien durchwegs handelsüblich ist. Im Buchhandel erscheinen nach einem Jahr die Bestseller als preisgünstige Taschenbücher und auch die Musikindustrie ist bereits seit Jahrzehnten mit einer Midprice Schiene erfolgreich. Nach 12 bis 18 Monaten sind die meisten CDs unter zehn Euro zu haben.
Neu sind jedoch die Aggressivität und die immer kürzeren Zeitspannen, welche die Majorstudios bei der Preispolitik von DVD´s und Blue Rays vorgeben. Bereits vier Monate nach Kinostart erscheint ein Film auf DVD, nach weiteren vier Monaten ist der Titel zum Midprice von unter Zehn Euro erhältlich. Auf den ersten Blick gut für den Konsumenten auf den zweiten eine bedenkliche und auch unwirtschaftliche Entwicklung. Diese Preise wurden anfangs von den großen Studios gesteuert, welche nach Ablauf der Fristen die Einkaufspreise senken. Der Einkaufspreis für einen neuen Film auf DVD liegt zwischen 11 und 13 Euro und steht mit einem Verkaufspreis von 15 bis 20 Euro im Laden. Nach vier bis sechs Monaten sinkt der Einkaufspreis für einen Titel auf ca. sieben Euro und kann somit vom Handel für 9,99 angeboten werden.
Wenn heute AVATAR um 7,99 verkauft wird hat das jedoch mit dieser Strategie nichts mehr zu tun. Vom wirtschaftlichen Standpunkt müsste der Titel um 19,99 angeboten werden, damit der Händler noch ein paar Euro verdienen kann. AVATAR ist ein neuer Film und kostet im Einkauf je nach Konditionen zwischen 12 und 13 Euro, das wären dann mit Mehrwertsteuer ca. 15,00 Euro. Libro bewirbt den Titel um 14,99 und steigt somit noch ohne Verlust aus. Bei Saturn und Mediamarkt gab es AVATAR ab dem ersten Verkaufstag um 7,99 Euro. Was bedeutet, dass beim Kauf jeder DVD der Konzern ca. sieben Euro draufzahlt. Sie werden es sich leisten können, wird sich mancher jetzt denken. Es ist trotzdem eine destruktive Vorgehensweise, welche sich in den letzten Jahren eingebürgert hat. Toptitel aus den Kinocharts werden beim DVD-Verkaufsstart vom Handel gnadenlos verrissen. Als Bauernopfer, um den Kunden ins Haus zu locken, begleitet mit der Hoffnung das dieser dann eventuell noch ein Kabel oder etwas anderes kauft. Sei es Simpson der Film, Harry Potter 6, Transformers 2, Ice Age 3 oder Wickie und die starken Männer. All diese Filme wurden bei erscheinen mit einem Preis von unter zehn Euro beworben und verkauft. Die Konkurrenz muss dann sehr oft die Preise annehmen. So kommt der Internethändler Amazon bereits stark unter Druck, da die deutschen Mediamärkte die Preise der Neuheiten zerreißen. Die AVATAR-DVD kostete bei Amazon einen Tag vor Verkaufsstart noch 14,99 Euro. Einen Tag später musste Amazon den Mediamarkt-Preis übernehmen und verkaufte den Film auch um 7,99 Euro. Welcher Händler mit dem Preiskrieg begonnen hat ist nicht mehr wichtig, die Spirale dreht sich weiter und ist inzwischen bei der Blue Ray Disc angekommen.
Ein Medium, welches noch nicht mal am Markt etabliert ist, ist preislich bereits im Keller angelangt. Vor zwei Jahren kostete eine Blue Ray Disc noch 30 Euro. Jetzt werden die blauen Scheiben bereits um zehn Euro verschleudert. Das Spiel wiederholt sich, nur schneller.
Für den Konsumenten verzerrt sich dadurch der Wert des Mediums. Warum kostet ein Megahit wie AVATAR 7,99 Euro und daneben liegt eine DVD des Disneyfilms Küss den Frosch um 19,99 Euro. Das diese vernünftig kalkuliert ist, ist für den Konsumenten kein Argument und auch nicht nachvollziehbar. Der Handel hat sich mit dieser aggressiven Preispolitik selbst abgeschossen. Jeder Kaufmann weiß, dass man einen Preis leicht senken kann, diesen jedoch schwer wieder nach oben bringt. Noch schwerer wiegt, dass ein relativ junges Medium bereits wieder entwertet wird. Die DVD ist seit 15 Jahren am Markt, die Blue Ray gerade mal drei Jahre. Und schon scheinen die Produkte nur mehr für die Wühlkiste zu reichen. Es ist nichts neues, beliebte Artikel für Werbezwecke zu missbrauchen und doch gibt es erfolgreich Modelle, wie andere Branchen mit ähnlichen Situationen umgehen. Als Apple ein neues I-POD Modell einführte, drohte der Konzern Händlern, welche den vorgeschlagenen Verkaufspreis unterschreiten, nicht mehr zu beliefern. Es mag faschistoid wirken, und doch ist es für einen Konzern legitim, mit seinen Geschäftspartnern Verträge zu schließen. Die Händler müssen ja keine Apple Produkte führen, es gibt genug andere MP3 Player. Apple hat diese Strategie offensichtlich nicht geschadet. Im Gegenteil. Ein Apple Produkt hat offensichtlich seinen Preis und für den Kunden somit auch einen Wert
Inzwischen verlieren die DVD und die Blue RAY zunehmend ihren Wert als Medium. Der Handel „verschenkt“ die Titel und die Industrie liefert und freut sich über die großen Absatzzahlen. Eine Lüge, die sich bald rächen wird, spätestens in diesem Jahrzehnt, wenn die Bildträger in eine ähnliche Absatzkrise rutschen wie der inzwischen kleine Bruder CD vor zehn Jahren.
Es mutet umso absurder an, dass die Filmindustrie Millionen in die Aufklärung steckt um vor Piraterie und den bösen Raubkopierern zu warnen, die eigenen Titel jedoch bereits günstiger im Handel zu haben sind als die schlechten Raubkopien aus China. Hier wäre Mut zum eigenen Produkt angebracht. Denn, auch eine andere Wahrheit gilt fast überall: Was nichts kostet ist nichts wert.
Andi Bauer
Der Preiskrieg im Elektrohandel um die DVD trieb in den letzten Jahren immer seltsamere Blüten. Als zur Jahrtausendwende das Medium seinen Siegeszug antrat kosteten die Filme noch ca. 25 Euro. Der Handel sah in den Silberscheiben nicht nur einen Ersatz für die veraltete Videokassette, sondern auch eine Möglichkeit die bereits kränkelnden CD-Umsätze zu kompensieren.
Überdies war das neue Medium ein beliebter Werbeträger, um Kunden mit attraktiven Preisen in die Häuser zu locken. Der Verkaufspreis von 19,99 für neue Filme auf DVD hat sich schnell etabliert und würde vom Kunden akzeptiert. In den Großkonzernen geht es jedoch selten um eine simple Gewinnrechnung, sondern oft um Marktanteile und die Verdrängung der Konkurrenz. Der Branchenriese Warner war das erste Majorstudio welches am Preis schraubte und eine zweite Vermarktungsschiene einzog. Ältere Titel wurden um 9,99 Euro angeboten und schon bald rutschten auch Neuheiten nach sechs Monaten in diese Schiene und wurden unter zehn Euro vom Handel verkauft. Die anderen Studios zogen natürlich nach. Fox etablierte erfolgreich die „Hollywood Collection“ und auch die anderen Studios zogen mit Ihren Preisen nach.
Eine Praxis, welche bei Büchern und Multimedien durchwegs handelsüblich ist. Im Buchhandel erscheinen nach einem Jahr die Bestseller als preisgünstige Taschenbücher und auch die Musikindustrie ist bereits seit Jahrzehnten mit einer Midprice Schiene erfolgreich. Nach 12 bis 18 Monaten sind die meisten CDs unter zehn Euro zu haben.
Neu sind jedoch die Aggressivität und die immer kürzeren Zeitspannen, welche die Majorstudios bei der Preispolitik von DVD´s und Blue Rays vorgeben. Bereits vier Monate nach Kinostart erscheint ein Film auf DVD, nach weiteren vier Monaten ist der Titel zum Midprice von unter Zehn Euro erhältlich. Auf den ersten Blick gut für den Konsumenten auf den zweiten eine bedenkliche und auch unwirtschaftliche Entwicklung. Diese Preise wurden anfangs von den großen Studios gesteuert, welche nach Ablauf der Fristen die Einkaufspreise senken. Der Einkaufspreis für einen neuen Film auf DVD liegt zwischen 11 und 13 Euro und steht mit einem Verkaufspreis von 15 bis 20 Euro im Laden. Nach vier bis sechs Monaten sinkt der Einkaufspreis für einen Titel auf ca. sieben Euro und kann somit vom Handel für 9,99 angeboten werden.
Wenn heute AVATAR um 7,99 verkauft wird hat das jedoch mit dieser Strategie nichts mehr zu tun. Vom wirtschaftlichen Standpunkt müsste der Titel um 19,99 angeboten werden, damit der Händler noch ein paar Euro verdienen kann. AVATAR ist ein neuer Film und kostet im Einkauf je nach Konditionen zwischen 12 und 13 Euro, das wären dann mit Mehrwertsteuer ca. 15,00 Euro. Libro bewirbt den Titel um 14,99 und steigt somit noch ohne Verlust aus. Bei Saturn und Mediamarkt gab es AVATAR ab dem ersten Verkaufstag um 7,99 Euro. Was bedeutet, dass beim Kauf jeder DVD der Konzern ca. sieben Euro draufzahlt. Sie werden es sich leisten können, wird sich mancher jetzt denken. Es ist trotzdem eine destruktive Vorgehensweise, welche sich in den letzten Jahren eingebürgert hat. Toptitel aus den Kinocharts werden beim DVD-Verkaufsstart vom Handel gnadenlos verrissen. Als Bauernopfer, um den Kunden ins Haus zu locken, begleitet mit der Hoffnung das dieser dann eventuell noch ein Kabel oder etwas anderes kauft. Sei es Simpson der Film, Harry Potter 6, Transformers 2, Ice Age 3 oder Wickie und die starken Männer. All diese Filme wurden bei erscheinen mit einem Preis von unter zehn Euro beworben und verkauft. Die Konkurrenz muss dann sehr oft die Preise annehmen. So kommt der Internethändler Amazon bereits stark unter Druck, da die deutschen Mediamärkte die Preise der Neuheiten zerreißen. Die AVATAR-DVD kostete bei Amazon einen Tag vor Verkaufsstart noch 14,99 Euro. Einen Tag später musste Amazon den Mediamarkt-Preis übernehmen und verkaufte den Film auch um 7,99 Euro. Welcher Händler mit dem Preiskrieg begonnen hat ist nicht mehr wichtig, die Spirale dreht sich weiter und ist inzwischen bei der Blue Ray Disc angekommen.
Ein Medium, welches noch nicht mal am Markt etabliert ist, ist preislich bereits im Keller angelangt. Vor zwei Jahren kostete eine Blue Ray Disc noch 30 Euro. Jetzt werden die blauen Scheiben bereits um zehn Euro verschleudert. Das Spiel wiederholt sich, nur schneller.
Für den Konsumenten verzerrt sich dadurch der Wert des Mediums. Warum kostet ein Megahit wie AVATAR 7,99 Euro und daneben liegt eine DVD des Disneyfilms Küss den Frosch um 19,99 Euro. Das diese vernünftig kalkuliert ist, ist für den Konsumenten kein Argument und auch nicht nachvollziehbar. Der Handel hat sich mit dieser aggressiven Preispolitik selbst abgeschossen. Jeder Kaufmann weiß, dass man einen Preis leicht senken kann, diesen jedoch schwer wieder nach oben bringt. Noch schwerer wiegt, dass ein relativ junges Medium bereits wieder entwertet wird. Die DVD ist seit 15 Jahren am Markt, die Blue Ray gerade mal drei Jahre. Und schon scheinen die Produkte nur mehr für die Wühlkiste zu reichen. Es ist nichts neues, beliebte Artikel für Werbezwecke zu missbrauchen und doch gibt es erfolgreich Modelle, wie andere Branchen mit ähnlichen Situationen umgehen. Als Apple ein neues I-POD Modell einführte, drohte der Konzern Händlern, welche den vorgeschlagenen Verkaufspreis unterschreiten, nicht mehr zu beliefern. Es mag faschistoid wirken, und doch ist es für einen Konzern legitim, mit seinen Geschäftspartnern Verträge zu schließen. Die Händler müssen ja keine Apple Produkte führen, es gibt genug andere MP3 Player. Apple hat diese Strategie offensichtlich nicht geschadet. Im Gegenteil. Ein Apple Produkt hat offensichtlich seinen Preis und für den Kunden somit auch einen Wert
Inzwischen verlieren die DVD und die Blue RAY zunehmend ihren Wert als Medium. Der Handel „verschenkt“ die Titel und die Industrie liefert und freut sich über die großen Absatzzahlen. Eine Lüge, die sich bald rächen wird, spätestens in diesem Jahrzehnt, wenn die Bildträger in eine ähnliche Absatzkrise rutschen wie der inzwischen kleine Bruder CD vor zehn Jahren.
Es mutet umso absurder an, dass die Filmindustrie Millionen in die Aufklärung steckt um vor Piraterie und den bösen Raubkopierern zu warnen, die eigenen Titel jedoch bereits günstiger im Handel zu haben sind als die schlechten Raubkopien aus China. Hier wäre Mut zum eigenen Produkt angebracht. Denn, auch eine andere Wahrheit gilt fast überall: Was nichts kostet ist nichts wert.
Andi Bauer
1. Mai 2010
Sunday Morning Coming Down - HURRA! HURRA! – GENAU SO
Der Sänger und Songwriter Gisbert zu Knyphausen ist in Deutschland der Mann der Stunde und begeistert gleichsam Publikum wie Kritiker. Soeben hat der Musiker sein zweites und wieder großartiges Album HURRA! HURRA! SO NICHT! veröffentlicht und letzten Dienstag ein euphorisch bejubeltes Konzert in Wien gegeben. Eine goldene Gelegenheit, den gefeierten Sänger zu einem Gespräch zu bitten und einen Blick hinter seine wunderbaren Lieder zu werfen.
Als Gisbert zu Knyphausen 2008 sein gleichnamiges Debütalbum veröffentlichte, konnte der scheue Künstler noch nicht ahnen, dass er zunehmend in Richtung eines Popstars rutschen würde. Darauf angelegt hat es der Musiker sicher nicht. Der Gute wollte nur seine Lieder veröffentlichen. Es waren halt nicht nur irgendwelche Lieder auf einer beliebigen Deutschrock CD deren es viele gibt. Es wurde die beste deutschsprachige Platte der letzten zwanzig Jahre. Das Album reiht sich nahtlos in die Reihe der Klassiker der deutschen Popmusik. Weißes Papier von Element of Crime, Tocotronic - die Spätphase und Ton Steine und Scherben - die Frühphase. Es ist auch nicht vermessen, den Musiker mit einem jungen Bob Dylan, Jackson Browne und Georg Danzer zu vergleichen. Gisbert schaffte es mit seinen Liedern, Gedanken und Gefühle einer zutiefst verunsicherten und orientierungslosen Generation zu vertonen. Seine Lieder erzählen von den Unsicherheiten des Lebens, von Fragen ohne Antworten und von Zweifel & Ängsten. Gisbert singt über Bindungsängste, über Freundschaft die zur Liebe führt und über die Freuden am verwirrten Leben. Der Sänger ist weder ein moralisierender Gutmensch, noch ein Oberlehrer oder abgehobener Philosoph. Er schafft es vielmehr, die Fragen seiner Generation in Worte zu gießen und diese in der Form von wunderbaren Liedern an uns zurückzugeben. Freilich ohne diese zu beantworten. Aber eine klug ausformulierte Frage ist auch ein Anfang, so wie es der Sänger im neuen Titel Grau, Grau, Grau wunderschön zum Ausdruck bringt.
„Ich dreh mich im Kreis und singe über das ewige Licht, die Blitze ins Nichts und die gleißende Frage: Wie solls jetzt weitergehen? Das weiß ich doch auch nicht. Wir brauchen einen Neuanfang"
Seit drei Jahren tingelt jetzt der Sänger durch Clubs, Kaffeehäuser und Keller um seine Lieder vorzustellen. Über 200 Konzerte hat Gisbert bereits gespielt, ein kleines jedoch treues und dankbares Publikum folgt ihm, kennt jede Zeile auswendig und saugt mit dankbarem Herzen die kleinen Weisheiten des bescheidenen Gisbert auf. Lieder wie Sommertag oder Der Blick in deinen Augen sind jetzt schon Klassiker und werden – das behaupte ich mal so – in wenigen Jahren unverzichtbare Standards der deutschen Popmusik sein.
Ich weiß ziemlich genau was ich bin
aber nicht wo das hin will singt Gisbert in Der Blick in den Augen und sagt mit einem Satz mehr als Andere mit einer ganzen Karriere. Der zunehmende Erfolg und vor allem die breite Anerkennung seiner Musik quer durch den deutschen Blätterwald verwundert und erfreut den Musiker zugleich. Der Preis für die Anerkennung folgte rasch. Der Musiker kämpfte mit Unsicherheit und Ängsten vor der nächsten Phase und dem nächsten Album. Gisbert löste sich aus diesem Kreislauf, in dem er zwei Schritte nach vorne machte. Er entwickelte die Lieder gemeinsam mit seinen Musikern was zu einem Bandalbum führte und engagierte mit Tobias Levin einen erfahrenen Produzenten, der ihm half, seine eigenen Grenzen auszudehnen. Die schnelle Zufriedenheit des Musikers mit dem Ergebnis wurde von Levin öfters auf die Probe gestellt. Der Mix zog sich hin da der Produzent den schnellen und einfachen Weg ablehnte und das Optimum aus den Liedern herauskitzeln wollte, was den einfachen Troubadour Gisbert oft genug an den Nerven zehrte. Das Ergebnis gibt Levin recht und auch Gisbert ist jetzt höchst zufrieden mit dem Ergebnis der professionellen Arbeitsweise des Produzenten. Das neue Album glänzt durch eine warme, organische und doch sehr dynamische Produktion. Das Spiel der Band hat viel mehr Raum und somit an Bedeutung gewonnen. Im Zentrum stehen aber erneut die Lieder des Mannes der es schafft, kompliziertes so klar zu sagen, nie oberflächlich ist und scheinbar mühelos den Bogen zwischen persönlichen Befindlichkeiten und kollektiven Sorgen spannt. Wenn der Sänger in Morsches Holz von Ängsten singt, dann ist das persönlich und doch allgemeingültig. „Ich tausche alles was ich bin oder war gegen ein Leben ohne Angst vor der nächsten Telefonrechnung, dem Zahnarzt, der Liebe oder dem Tod“. Sogar die Melancholie wird personalisiert „Was hast du der Menschheit jemals Gutes gebracht. Außer Musik, Kunst und billigen Gedichten? Melancholie.“
HURRA! HURRA! SO NICHT versammelt elf Lieder, die sich an der Kreuzung von Blues, Pop und Folk treffen und die den Hörer an der Hand nehmen und ihn zu einem schönen blumengesäumten Feldweg geleiten. Lieder wie ein Gespräch mit einem guten Freund. Wie er das wieder hingekriegt hat, der Gisbert, weiß ich auch nicht. Arne Willander, Redakteur im deutschen Rolling Stone bezeichnet den Sänger schlicht als „verdammtes Genie“. Zweifellos zutreffend und doch unzureichend. Ich hatte vor seinem Wien-Konzert im Haus der Musik die Gelegenheit, den Musiker für ein Gespräch zu treffen, welches sich – gleich seiner Lieder - als ein Treffen mit einem guten Freund entwickelte. Gisbert und sein zweiter Gitarrist Jens Fricke erreichten den Ort des Geschehens ohne Tourbegleiter, Labelmanager und PR-Berater. Nur mit Gitarren und zwei Kartons voller CDs und LPs ausgerüstet, entstiegen die beiden Musiker dem Taxi. Wie zwei Bänkelsänger in der Fußgängerzone. Gisbert erzählte dann auch, dass er gerade in der Straßenbahn ein bisschen gespielt und gesungen hat – man glaubt es ihm unbesehen. Im Gespräch war der etwas übermüdete Musiker offen, interessiert und erfreut über die Möglichkeit, eine zu rauchen und ein Tässchen Kaffee zu trinken. Gisbert freut sich über die Menschen die seine Lieder mögen, hat keine Vorstellung von Zielgruppen und kann mit Kategorisierungen der Musik nichts anfangen. Der wiederkehrende Vergleich mit Reinhard Mey stört ihn zwar nicht, verwundert in jedoch da der Mey, so Gisbert, eigentlich keine verzerrten Gitarren in seinen Liedern hat. Die eigenen Vorbilder sind breit gestreut und reichen von Nick Cave über Radiohead bis zu Bright Eyes. Es war auch der Mut des Conor Oberst, der Gisbert inspirierte, offen über seine Gefühle zu schreiben.
Das Konzert wird rasch zur Privataudienz mit Wohnzimmeratmosphäre. Gisbert plaudert über seine Lieder, verlorengegangene Songtitel, Abenteuern mit dem Plattenlabel und über Banales und Erhellendes. Der Musiker entschuldigt sich für seine Müdigkeit, verspielt sich, vergisst Textteile und trotzdem ist alles gut. Die 200 Besucher lauschen andächtig, die berühmte Stecknadel kann fallen und die Zwischenrufe des Publikums sind respekt- und liebevoll. Selbst ein technischer Ausfall seines Sidekicks kann den jungen Mann nicht aus der Ruhe bringen. Dann spielt er eben alleine weiter – meint er. Und wenn er dann seine Lieder singt, die Augen dabei schließt und hineinfällt in seine Musik, dann wusste jeder Anwesende, dass hier große Kunst stattfindet. Einer der wenigen wahrhaften Momente, in denen Popmusik die Zeit anhält und den Raum in die Unendlichkeit dehnt. Ja, es stimmt – Gisbert ist ein verdammtes Genie und ein nettes noch dazu. Man wünscht ihm den ganz großen Erfolg und hat gleichzeitig Angst, dass die immerzu hungrige Musik- und Medienmaschinerie ihn verschlingen könnte. Aber all dies ist nicht wirklich. Wo auch immer die Reise hingeht, Gisbert hat uns mit seinen ersten beiden Alben bereits so viele große Lieder gegeben - diese werden die Zeit überdauern. Kaufen Sie seine CDs und lassen sie sich von den Liedern dieses Mannes verzaubern und berühren. Mehr Glück und Trost gibt es in diesen Tagen nirgends.
Andi Bauer
Als Gisbert zu Knyphausen 2008 sein gleichnamiges Debütalbum veröffentlichte, konnte der scheue Künstler noch nicht ahnen, dass er zunehmend in Richtung eines Popstars rutschen würde. Darauf angelegt hat es der Musiker sicher nicht. Der Gute wollte nur seine Lieder veröffentlichen. Es waren halt nicht nur irgendwelche Lieder auf einer beliebigen Deutschrock CD deren es viele gibt. Es wurde die beste deutschsprachige Platte der letzten zwanzig Jahre. Das Album reiht sich nahtlos in die Reihe der Klassiker der deutschen Popmusik. Weißes Papier von Element of Crime, Tocotronic - die Spätphase und Ton Steine und Scherben - die Frühphase. Es ist auch nicht vermessen, den Musiker mit einem jungen Bob Dylan, Jackson Browne und Georg Danzer zu vergleichen. Gisbert schaffte es mit seinen Liedern, Gedanken und Gefühle einer zutiefst verunsicherten und orientierungslosen Generation zu vertonen. Seine Lieder erzählen von den Unsicherheiten des Lebens, von Fragen ohne Antworten und von Zweifel & Ängsten. Gisbert singt über Bindungsängste, über Freundschaft die zur Liebe führt und über die Freuden am verwirrten Leben. Der Sänger ist weder ein moralisierender Gutmensch, noch ein Oberlehrer oder abgehobener Philosoph. Er schafft es vielmehr, die Fragen seiner Generation in Worte zu gießen und diese in der Form von wunderbaren Liedern an uns zurückzugeben. Freilich ohne diese zu beantworten. Aber eine klug ausformulierte Frage ist auch ein Anfang, so wie es der Sänger im neuen Titel Grau, Grau, Grau wunderschön zum Ausdruck bringt.
„Ich dreh mich im Kreis und singe über das ewige Licht, die Blitze ins Nichts und die gleißende Frage: Wie solls jetzt weitergehen? Das weiß ich doch auch nicht. Wir brauchen einen Neuanfang"
Seit drei Jahren tingelt jetzt der Sänger durch Clubs, Kaffeehäuser und Keller um seine Lieder vorzustellen. Über 200 Konzerte hat Gisbert bereits gespielt, ein kleines jedoch treues und dankbares Publikum folgt ihm, kennt jede Zeile auswendig und saugt mit dankbarem Herzen die kleinen Weisheiten des bescheidenen Gisbert auf. Lieder wie Sommertag oder Der Blick in deinen Augen sind jetzt schon Klassiker und werden – das behaupte ich mal so – in wenigen Jahren unverzichtbare Standards der deutschen Popmusik sein.
Ich weiß ziemlich genau was ich bin
aber nicht wo das hin will singt Gisbert in Der Blick in den Augen und sagt mit einem Satz mehr als Andere mit einer ganzen Karriere. Der zunehmende Erfolg und vor allem die breite Anerkennung seiner Musik quer durch den deutschen Blätterwald verwundert und erfreut den Musiker zugleich. Der Preis für die Anerkennung folgte rasch. Der Musiker kämpfte mit Unsicherheit und Ängsten vor der nächsten Phase und dem nächsten Album. Gisbert löste sich aus diesem Kreislauf, in dem er zwei Schritte nach vorne machte. Er entwickelte die Lieder gemeinsam mit seinen Musikern was zu einem Bandalbum führte und engagierte mit Tobias Levin einen erfahrenen Produzenten, der ihm half, seine eigenen Grenzen auszudehnen. Die schnelle Zufriedenheit des Musikers mit dem Ergebnis wurde von Levin öfters auf die Probe gestellt. Der Mix zog sich hin da der Produzent den schnellen und einfachen Weg ablehnte und das Optimum aus den Liedern herauskitzeln wollte, was den einfachen Troubadour Gisbert oft genug an den Nerven zehrte. Das Ergebnis gibt Levin recht und auch Gisbert ist jetzt höchst zufrieden mit dem Ergebnis der professionellen Arbeitsweise des Produzenten. Das neue Album glänzt durch eine warme, organische und doch sehr dynamische Produktion. Das Spiel der Band hat viel mehr Raum und somit an Bedeutung gewonnen. Im Zentrum stehen aber erneut die Lieder des Mannes der es schafft, kompliziertes so klar zu sagen, nie oberflächlich ist und scheinbar mühelos den Bogen zwischen persönlichen Befindlichkeiten und kollektiven Sorgen spannt. Wenn der Sänger in Morsches Holz von Ängsten singt, dann ist das persönlich und doch allgemeingültig. „Ich tausche alles was ich bin oder war gegen ein Leben ohne Angst vor der nächsten Telefonrechnung, dem Zahnarzt, der Liebe oder dem Tod“. Sogar die Melancholie wird personalisiert „Was hast du der Menschheit jemals Gutes gebracht. Außer Musik, Kunst und billigen Gedichten? Melancholie.“
HURRA! HURRA! SO NICHT versammelt elf Lieder, die sich an der Kreuzung von Blues, Pop und Folk treffen und die den Hörer an der Hand nehmen und ihn zu einem schönen blumengesäumten Feldweg geleiten. Lieder wie ein Gespräch mit einem guten Freund. Wie er das wieder hingekriegt hat, der Gisbert, weiß ich auch nicht. Arne Willander, Redakteur im deutschen Rolling Stone bezeichnet den Sänger schlicht als „verdammtes Genie“. Zweifellos zutreffend und doch unzureichend. Ich hatte vor seinem Wien-Konzert im Haus der Musik die Gelegenheit, den Musiker für ein Gespräch zu treffen, welches sich – gleich seiner Lieder - als ein Treffen mit einem guten Freund entwickelte. Gisbert und sein zweiter Gitarrist Jens Fricke erreichten den Ort des Geschehens ohne Tourbegleiter, Labelmanager und PR-Berater. Nur mit Gitarren und zwei Kartons voller CDs und LPs ausgerüstet, entstiegen die beiden Musiker dem Taxi. Wie zwei Bänkelsänger in der Fußgängerzone. Gisbert erzählte dann auch, dass er gerade in der Straßenbahn ein bisschen gespielt und gesungen hat – man glaubt es ihm unbesehen. Im Gespräch war der etwas übermüdete Musiker offen, interessiert und erfreut über die Möglichkeit, eine zu rauchen und ein Tässchen Kaffee zu trinken. Gisbert freut sich über die Menschen die seine Lieder mögen, hat keine Vorstellung von Zielgruppen und kann mit Kategorisierungen der Musik nichts anfangen. Der wiederkehrende Vergleich mit Reinhard Mey stört ihn zwar nicht, verwundert in jedoch da der Mey, so Gisbert, eigentlich keine verzerrten Gitarren in seinen Liedern hat. Die eigenen Vorbilder sind breit gestreut und reichen von Nick Cave über Radiohead bis zu Bright Eyes. Es war auch der Mut des Conor Oberst, der Gisbert inspirierte, offen über seine Gefühle zu schreiben.
Das Konzert wird rasch zur Privataudienz mit Wohnzimmeratmosphäre. Gisbert plaudert über seine Lieder, verlorengegangene Songtitel, Abenteuern mit dem Plattenlabel und über Banales und Erhellendes. Der Musiker entschuldigt sich für seine Müdigkeit, verspielt sich, vergisst Textteile und trotzdem ist alles gut. Die 200 Besucher lauschen andächtig, die berühmte Stecknadel kann fallen und die Zwischenrufe des Publikums sind respekt- und liebevoll. Selbst ein technischer Ausfall seines Sidekicks kann den jungen Mann nicht aus der Ruhe bringen. Dann spielt er eben alleine weiter – meint er. Und wenn er dann seine Lieder singt, die Augen dabei schließt und hineinfällt in seine Musik, dann wusste jeder Anwesende, dass hier große Kunst stattfindet. Einer der wenigen wahrhaften Momente, in denen Popmusik die Zeit anhält und den Raum in die Unendlichkeit dehnt. Ja, es stimmt – Gisbert ist ein verdammtes Genie und ein nettes noch dazu. Man wünscht ihm den ganz großen Erfolg und hat gleichzeitig Angst, dass die immerzu hungrige Musik- und Medienmaschinerie ihn verschlingen könnte. Aber all dies ist nicht wirklich. Wo auch immer die Reise hingeht, Gisbert hat uns mit seinen ersten beiden Alben bereits so viele große Lieder gegeben - diese werden die Zeit überdauern. Kaufen Sie seine CDs und lassen sie sich von den Liedern dieses Mannes verzaubern und berühren. Mehr Glück und Trost gibt es in diesen Tagen nirgends.
Andi Bauer
Abonnieren
Posts (Atom)