14. Februar 2010

Sunday Morning Coming Down - Die Musik & Filmkolumne am Sonntag

Warum wir Peter Gabriel mehr kulturelle Vielfalt verdanken und er sich jetzt seinen Rücken kratzen lässt.

Scratch my back heißt das neue Album von Peter Gabriel, welches nicht nur höchstinteressante Neueinspielung bekannter Popsongs bietet sondern auch mit einem des schönsten Plattencovers der Musikgeschichte aufwartet. Peter Gabriel hat nicht nur eine erstaunlich lange, (40 Jahre im Musikgeschäft) sondern viel mehr, eine sehr bunte Karriere vorzuweisen. In den frühen 70er Jahren verdingte sich der Allroundkünstler als Sänger der Prog-Rocktruppe Genesis, schrieb skurril, phantastische Texte und verhalf der Band zu einigen, wirklichen großen und wichtigen Alben - und stieg am Höhepunkt (1975) wieder aus. Gabriel sah keine Entwicklungsmöglichkeiten für die Band und startete eine Solokarriere. Genesis musizierten mit Phil Collins als Sänger weiter, und schafften es mit jeder neuen Platte ein bisschen schlechter und - konträr dazu erfolgreicher zu werden. Ist auch eine Leistung.

Inzwischen forcierte Peter Gabriel seine Solokarriere und gab seinen Platten nicht mal einen Titel. Bis heute werden seine Werke chronologisch geheißen: die Erste, die zweite, usw. Ein Albtraum für die Marketingabteilung der Plattenfirma. Erst das Album SO aus dem Jahre 1986, durfte sich mit einem Titel schmücken. Musikalisch zeigte sich deutlich, dass hier kein Musiker auf der Suche nach Starruhm unterwegs ist, sondern vielmehr ein Getriebener auf der der Suche nach Klängen, Rhythmen und Melodien welche er als adäquate Ausdrucksformen einsetzten kann. Musik als Sprache. Gabriels erste vier Alben (1977-82), pendeln zwischen (sehr großzügig ausgelegten) Pop, Rock & äh Kunst. Gabriels Werke sind schwierige und faszinierende Klangkörper welche Aufmerksamkeit fordern. Sein fünftes Album SO brachte 1986 nicht nur einen Albumtitel, sonder auch den großen kommerziellen Durchbruch. Das Album hatte mit „Sledgehammer“ und dem wunderbaren Duett „Don`t give up“ mit der göttlichen Kate Bush zwei Monsterhits, und war auch sonst zugänglicher und massentauglicher – was in diesem Zusammenhang nicht „schlechter“ bedeutet. Gabriel nutzte zu jener Zeit auch das Musikvideo als neue Ausdrucksmöglichkeit und schuf grandiose Clips welche heute noch zu den Klassikern des Genres zählen. Die Tantiemen der Millionenverkäufe des SO Albums sprudelten und Gabriel investierte das Geld in sein Herzensprojekt – die REALWORLD Studios. 1988 eröffnete der Künstler das Studio in England und wurde zu einem wesentlichen, wenn nicht der ausschlaggebende, Initiator für die Globalisierung von Worldmusic. „Worldmusic“ gilt als Sammelbegriff für Musik, welche nicht dem Westen (Europa, USA) entspringt. Die Realworld Studios wurden zu einem Treffpunkt für Musiker aus der ganzen Welt. Von Afrika bis Südamerika gaben sich die renommiertesten Künstler dieser Regionen die Klinke in die Hand und nahmen in den Realworld Studios ihre Musik auf. Studiobesitzer Peter Gabriel mischte sich nicht in die Aufnahmeprozesse ein, übernahm jedoch mit seinem Unternehmen das weltweite Marketing, die Promotion und den Vertrieb und sorgte damit dafür, dass diese Musik von nun an in Europa und den USA gehört und gekauft wurde. In einem aktuellen Interview spricht Gabriel von dem großen kulturellen und spirituellen Reichtum der entsteht, Künstler aus anderen Kontinenten zu beobachten und zuzuhören. Der Musiker hat das richtige Zuhören als eigene Kunstform begriffen und daraus ein ganzes Unternehmen geschaffen. In diesem Licht macht auch Gabriels neue Platte mehr Sinn als auf dem ersten Blick. Peter Gabriel hat noch nie Lieder von anderen aufgenommen. Scratch my back enthält nur Fremdkompositionen. Lieder von David Bowie, Arcade Fire, Radiohead, Lou Reed und anderen Musikern, welche Gabriel mit Orchester neu eingespielt hat - jedoch mit einer interessanten Auflage. Gabriel hat die ursprünglichen Interpreten aller Titel, im Gegenzug gebeten, ein Lied von ihm neu einzuspielen. Im Herbst erscheint dann quasi die Fortsetzung des Projekts. I will scratch yours mit Radiohead, Lou Reed und all den Anderen welche Lieder von Peter Gabriel neu interpretieren werden. So was nennt man dann kulturellen Austausch oder – die hohe Kunst der Kommunikation.



Andi Bauer

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