18. Dezember 2009

Größenwahn streift Genie

AVATAR von James Cameron    Jetzt im Kino

 

Erfolgsdruck

Jetzt ist der da – der Film auf den (angeblich) die halbe Welt wartet - AVATAR. 12 Jahren nach Titanic, der noch immer der erfolgreichste Film aller Zeiten ist, hat James Cameron seinen neuen Film endlich fertig gestellt. 14 Jahre hat der Regisseur  am Drehbuch gearbeitet, 5 Jahre wurde produziert und gefilmt. Über 300 Millionen Dollar hat die Produktion verschlungen. 20th Century Fox – das produzierende Studio - hat zu dieser unglaublichen Summe noch mal geschätzte 150 Mille für das Marketing nachgeschossen. Das Ding soll ja schließlich auch verkauft werden, und man braucht kein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium um zu erahnen, dass hier einige Herren in den oberen Studio-Etagen momentan gehörig schwitzen. Die Besucherzahlen vom ersten Wochenende – die Filme startet auf der ganzen Welt zeitgleich – werden mit großer Sehnsucht und noch größerer Angst erwartet. Einen Flop kann sich die „Fox“ nicht leisten. Der Film muss in den Kinos Eine Milliarde einspielen um die Kosten abzufedern – von Gewinnen sind wir dann immer noch ein Stück entfernt. Auch für Cameron steht viel auf dem Spiel. Der Regisseur genießt den Ruf ein hochtalentierter und innovativer Filmemacher zu, welcher jedoch regelmäßig und ohne Rücksicht sein Budget und seine Zeitpläne sprengt. Eine Horrorvision für jedes Filmstudio. Bisher waren Camerons Eskapaden vom Glück begleitet. Terminator 2, seinerseits (1991) mit 120 Millionen Dollar der teuerste Film aller Zeiten erwirtschaftete 530 Millionen. Titanic (1997) kostete bereits über 200 Millionen. Die „Fox“ teilte sich damals die Kosten mit den Paramount Studios wobei Paramount kalte Füße kriegte und kurz vor Drehschluss absprang und die Fox mit dem „Brocken“ allein lies. Niemand glaubte damals, dass sich der Film je rechnen wird. 1,8 Milliarden Dollar erwirtschaftete Titanic alleine im Kino. Video, DVD und TV-Rechte ließen weitere Millionen fließen. 11 Oscars taten das Übrige und James Cameron war für ein Jahr der König der Welt. Der Preis dafür war hoch. Wer sollte diesem Mann sagen, dass er in Zukunft sparen soll und sich an ein Budget und Zeitpläne orientieren müsse? Cameron war entfesselt und begann sein ambitioniertestes Projekt. Ein Science Fiction Film welcher eine technische Revolution im Kino auslösen soll. 3-D Kino für Erwachsene. Und Cameron hat mit seinen vollmundigen Ankündigungen  riesige Erwartungen in Zusehern und Kritikern geweckt. Nicht nur Science Fiction Fans werden den Film sehen wollen, sondern auch Kinofans im Allgemeinen und Neider natürlich, welche schon lange darauf warten dass der Regisseur auf die Nase fällt.

 

Der Film

Nach der ersten AVATAR Vorführung wünscht man sich eigentlich nur eines - mehr Zeit. Zeit um die Eindrücke zu verarbeiten um den Film zu verstehen und zu erfassen. Der Zuseher spürt an etwas besonderen, an etwas Großen beizuwohnen. Ich behaupte mal, dass die visuellen Effekte das Größte, Beste und Unglaublichste sind, was ich je auf einer Kinoleinwand sehen durfte. Cameron hat mit seinem Team einen Planeten erschaffen dessen Flora und Fauna in seiner Schönheit und auch kreativen Vielfalt jeden Zuseher fast ohnmächtiges Staunen abringt. Pandora wirkt wie eine wunderschöne Unterwasserwelt, welche sich auf der Oberfläche entfaltet. Es gibt ja immer ein paar lustige „Filmfreunde“, die sich regelmäßig den Kinobesuch (und ein paar Euro) sparen um Filme ein paar Monate später am Fernseher, oder noch schlimmer, am Computer anzusehen. Eine größere Sünde kann ich mir, in Anbetracht deren schieren Schönheit der Bilder bei AVATAR, nicht vorstellen. Diese Pracht muss auf der größtmöglichen Leinwand erlebt werden – Punktum. Leider schafft es die Geschichte nicht ganz mit der visuellen Kraft der Bilder mitzuhalten. Rücksichtlose Geschäftmacher vom Planeten Erde beuten die Bodenschätze auf dem fernen Planeten Pandora aus. Die dort lebenden „Aliens“ – das Volk der Navi - werden zurückgedrängt und vertrieben. Die Menschen bedienen sich einer innovativen Technik der „Seelenwanderung“ um die Navi auszuspionieren. Die Seele des Soldaten Jake (Sam Worthington – viel besser als in Terminator Salvation) wird in den Körper eines Navi (ein so genannter Avatar) transformiert. Jake beginnt die Navi zu unterwandern, um ihr Vertrauen zu gewinnen, entdeckt die Schönheit deren Welt und schlägt sich auf deren Seite. Es ist die Geschichte von „Der mit dem Wolf tanz“ - neu erzählt. Das Volk der Navi ähnelt in vielem den amerikanischen Ureinwohnern. Die Naturverbundenheit, die primitiven Waffen wie Pfeil und Bogen und das Verständnis ihrer Gottheit, welche in allem und jedem ist. Die weißen Eroberer werden durch ignorante und kriegslüsternde Marines dargestellt, welche sich wie schießwütige Cowboys gebärden. Diese Klischees muss man schlucken und sie nehmen dem Film auch die Seriosität eine neue Geschichte erzählen zu wollen - was ja Cameron im Vorfeld groß ankündigte. Auch beginnt Cameron bei sich selbst abzukupfern. Die Actionszenen, im Besonderen der Schlusskampf sind unübersehbare Zitate und wohl auch Referenzen an seinen Aliens Film (1986). Aber die sind Marginalen.

Umso erfreulicher ist es dem Regisseur gelungen die Charaktere überzeugend zu entwickeln. Nach dem halben Film wirken die computeranimierten Navi so echt als ob diese reale Schauspieler aus einem fremden Universum seien. Auch Sigourney Weaver als aufrechte Biologin ist eine starke Bereicherung für den Film und hat großartige Momente. Cameron involviert den Zuseher emotional in die faszinierende Welt der Navi und nimmt sich viel Zeit die Figuren einzuführen ohne dabei zu langweilen. Es vergehen über zwei Stunden bis zum großen Endkampf. Dieser verdeutlicht auf ein Neues, welch großartiger Actionregisseur James Cameron eigentlich ist. Die Kampfszenen sind schlicht sensationell. Cameron braucht keine stylisch schnellen Schnitte oder andere billige Tricks, bei ihm prallen die Welten aufeinander, physisch und intensiv. Der Mann weiß wie man eine Leinwand in Brand setzt.

 

Ab ins Kino

James Cameron ist mit AVATAR ein großer und auch großartiger Film gelungen. Und natürlich ist Cameron größenwahnsinnig und kratzt wie andere seiner Zunft am Status des „Genie“. Sein nahezu unerträglicher Perfektionismus, sein unstillbarer technischer Forschungsdrang und sein Wahn das Größte und Beste zu schaffen hat ein weiteres Mal Grenzen verschoben und geistige wie physische Mauern durchbrochen. Das Ergebnis ist ein beeindruckender Film der zwar leicht unter seinen erzählerischen Möglichkeiten bleibt, aber den Zuseher für 2 ½ Stunden in eine faszinierende Welt holt, aus der man nur ungern wieder auftaucht.

AVATAR ist zweifelsohne eine technische und vor allem visionäre Revolution und der erste anspruchsvolle 3-D Film für Erwachsene. Ein Film der vielleicht nicht das Kino revolutionieren wird – für dieses Urteil ist es zu früh – der aber die Kraft hat Menschen vom Fernsehsessel wieder in die Kinos zu locken. „DEN muss man im Kino gesehen haben“ - werden wir in den kommenden Wochen öfter zu hören kriegen. Und diesen Ausspruch kann ich nur unterstreichen. Denn Filme werden fürs Kino gemacht. AVATAR beweist dies und macht Lust darauf wieder öfter Filme auf der großen Leinwand zu genießen. Welches größere Lob kann man einem Kinofilm machen.

 

Andi Bauer

 

 

 

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

ich find das hast du sehr gut getroffen: abgesehen von der typischen hollywood-geschichte (die man schon 100 mal gesehen hat) ist der film - allein wegen der umsetzung - absolut sehenswert.