26. Oktober 2010

Good@Wise Filmtipp: The social network von David Fincher

Am Ende des Films sitzt „Facebook“ Gründer Mark Zuckerberg alleine in einem Besprechungszimmer und stellt mittels seines Laptops eine Freundschaftsanfrage auf der „Facebook“-Homepage. Die Kamera beobachtet den jungen Mann, wie er alle zwei Sekunden auf „aktualiseren“ geht – in der Hoffnung auf eine Antwort. Besser lässt sich die Einsamkeit eines Menschen der im Internet 500 Millionen „Freunde“ hat nicht veranschaulichen. David Finchers Film über den „Facebook“ Initiator enttäuscht mit Sicherheit alle, die eine Abrechnung mit einem zynischen Internetkonzern erwarten. Fincher zeichnet viel mehr das Sittenbild einer Generation. Der Generation „dot.com“. Eine Jugend welche mit der Selbstverständlich von globaler Kommunikation aufgewachsen ist, wo das Handy schon lange kein Statussymbol mehr ist, sondern ein unverzichtbarer Bestandteils des Lebens. Eine Generation, welche mühelos mittels Internetportalen & sms kommuniziert, jedoch offensichtliche Schwierigkeiten mit dem direkten lebendigen Gegenüber hat. Mark Zuckerberg ist so ein Mensch – hervorragend gespielt von Jesse Eisenberg der sich langsam als bester Darsteller seine Generation empfiehlt. Zuckerberg ist hochintelligent (Notenschnitt: 1.0), ein genialer Programmierer und zugleich völlig unfähig mit seiner Freundin ein einfaches Gespräch zu führen. Gleich die erste Szene zeigt einen verkorksten Dialog der Beiden, welcher auch dazu führt das Erica mit Mark Schluss macht. Dieser postet sogleich seinen Frust in seinem Blog: „Erica is a bitch“. Privatleben gibt es nicht mehr. Über Umwege entwickelt Mark dann die Idee von „Facebook“ und betrügt dabei seine Freunde und Mitarbeiter. Konfrontationen weicht er aus. Gesprächstermine werden ignoriert, lästige Anrufe nicht entgegengenommen, unangenehme e-mails nicht beantwortet. Kommunikation findet nur mehr übers Netz statt – wenn möglich anonym. Mark versteckt sich entweder hinter seinem Laptop oder hinter einer Maske aus Arroganz & Präpotenz. Die direkte menschliche Auseinandersetzung gibt es nicht mehr. Anhand von Zuckerbergs Aufstieg und Verhalten zeichnet der Regisseur ein äußerst präzises Bild einer Generation, welche sich langsam aber sicher im Netz verliert. Dies gelingt Fincher ohne zu moralisieren oder zu belehren.
Bereits 1999 ist es David Fincher mit seinem Film "Fight Club" gelungen die entemotionalisierte & desillisionierte Generation der 80er Jahre zu porträtieren. Mit "The Social Network" wiederholt er das Künststück und reflektiert die Gegenwart. Der Film ist ausgezeichnetet und wichtig. Sehenswert gleichsam für „Facebook“ User wie Hasser.
Andi Bauer

24. Oktober 2010

Sunday Morningt Coming Down - Get in the Soultrain with Sharon Jones

Sharon Jones & the Dap Kings live in München am 22. 10. 2010

In Österreich hört man öfters von einem Kirchensterben, von leeren Gotteshäuser und einem Rückgang der Gläubigen. Ein Problem welches sich leicht lösen lässt. Man müsste nur die Soulgranate Sharon Jones und ihre Band – the Dap Kings - für Auftritte in den heimischen Gotteshäusern engagieren. Die Buden wären im Handumdrehen wieder voll. Dies könnte jedoch zu einer anderen viel folgenschwereren Konsequenz führen. Ein Konzert von Sharon und ihrer Band verlassen die Besucher so beseelt und befreit, dass Sie danach vielleicht nie wieder eine Kirche brauchen. Es ist diese unvergleichliche und wahrhaftige Freude welchen den Hörer bei diesen Konzerten erfasst. Eine Freude die nur mit dem paradiesähnlichen Zustand zu vergleichen ist, welchen Adam & Eva genossen haben, bevor sie vom Gottvater aus dem selbigen vertrieben wurden. Seitdem irrt der Mensch durch die Geschichte auf der verzweifelten Suche nach dem ursprünglichen Glück und versucht seine Leere durch Konsum, Drogen und andere vermeintliche Abkürzungen zu füllen. Alle bisherigen Versuche des lieben Gottes den Menschen durch Propheten und Religionen aus seinem geistigen Gefängnis zu befreien, können als gescheitert betrachtet werden. So blieb dem Allmächtigen nur mehr ein allerletzter Weg – die Musik. Nicht irgendeine Musik – Soulmusik.
Es war der größte Sänger des 20. Jahrhundert – Sam Cooke – der diesen Erlösungsprozess einleitete. Sam Cooke war, wie die meisten schwarzen Sänger, ein Gospelsänger. Er war es, der zwei der größten historischen Gegensätze verband und daraus einen neuen heiß brennenden Musikstil schuf. Sam Cooke vereinigte Religion mit Sex. Er verband das Preisen und Loben Gottes in der Gospelmusik mit den Freuden der irdischen Liebe. Soulmusik war geboren und viele Propheten folgten um diese neuen Wahrheit den Menschen zu verkünden. Und sie taten das nicht mit Feuer und Schmerz sondern mit Rhythmus, Leidenschaft & Seele. James Brown, Aretha Franklin, Ray Charles, Tina Turner, Al Green, Otis Redding, Wilson Pickett & Mavis Staples brachten die Gospel in die ganze Welt. Und wir Europäer, emotional gelähmt, kopfgesteuert und freudlos dahin fristend können nur dankbar sein, dass es diese Musik gibt.
Die aktuelle Hohenpriesterin des Soul heißt Sharon Jones kommt aus Georgia und katapultiert mit ihrer Band den Soul der 60er Jahre ins 21. Jahrhundert. Am Freitag hatte ich die Gelegenheit ihrem Konzert in München beizuwohnen, welches zu einer Messe ausartete und ausschließlich bekehrte Seelen in die Nacht entließ. Sharon fegte und jubilierte über die Bühne als gelte es mit ihrer Band einen kollektiven Exorzismus durchzuführen. Die Frau tanzte, sang und frohlockte. Begleitet wurde Sie von den Dap Kings eine Band die so präzise spielt als gelte es mit Rasierklingen Atome zu spalten und zugleich eine entspannte Lockerheit an den Tag legt welche nicht mal in Wiener Kaffeehäusern zu finden ist. Mein Gott. Wenn Bruce Springsteen könnte, er würde sofort diese Band engagieren und seine E-Street Band wie räudige Hunde in die Wüste schicken. Sharon Jones & the Dap Kings bewiesen auf eindrucksvolle Weise warum man diese Musik Soulmusik nennt. Weil diese Musik die Seele befreit. Ich muss jetzt aufhören zu schreiben. Muss tanzen gehen und Seele befreien…………….
Andi Bauer

Ps.
HIER ein Konzert von Sharon Jones & the Dap Kings

17. Oktober 2010

Sunday morning coming down: Sting - dieser Stachel sticht schon lange nicht mehr

Was tun wenn die Karriere als Popmusiker stockt und keine neuen Ideen für Lieder da sind. Man aktiviert den 6-Punkte Plan. Dieser ist bewährt und beliebt.

1. Ein Best-of Album mit alten Hits. Klappt meistens, besonders wenn der Weihnachtsmann vor der Tür steht.
2. Ein Livealbum. Ist nicht jedermanns Sache, vor allem sollte man den Ruf haben auch gute Konzerte zu geben.
3. Ein Unplugged-Album. Einfach den Stecker rausziehen und die alten Hits im neuen Gewand präsentieren. Schafft in der Regel Zeit und ein bisschen Luft.
4. Eine Reunion mit – wenn vorhanden – der alten Band. Der Robbie haut sich auch gerade wieder mit den alten Kumpels von Take That zusammen. Wenn möglich, ein todsicheres Rezept.
5. Eine CD mit Weihnachtsliedern.
6. Und für die ganz verzweifelten – eine Kooperation mit einem Symphonieorchester. „Pop meets Klassik“ heißt das dann.

Sting muss sehr verzweifelt sein, denn er hat in den letzten Jahren den 6-Punkte Plan vollständig umgesetzt.
2001 veröffentlichte Sting sein Unplugged-Album. Live aufgenommen in seinem Haus in der Toscana. Die geladene High Society schlürfte dazu Krabben & Prosecco und klatschte höflich. So klingen die Lieder dann auch – oberflächiges Gedudel für gelangweilte Yuppis. Dann folgte 2003 sein bislang letztes Studioalbum mit selbstgeschriebenen Liedern. Das Werk hieß „Sacred heart“. Der Titel passt zur Musik – wichtigtuerisch und langweilig. Danach kam (wieder mal) ein Best-Of Album und eine CD mit klassischer Musik. 2007 folgte eine zweijährige Reunion-Tournee durch die Stadien dieser Welt mit seiner alten Band Police. Zur Tour gab es eine Police Best-Of CD, danach eine Live CD von der Tournee. Anschließend folgte eine CD mit Liedern über Weihnachten und den Winter – schnarch. Stings Welteroberung läuft auf allen Kanälen aber ohne interessante Musik. Mitbewerber wie U2 oder Bon Jovi geben sich wenigstens Mühe ein paar neue Lieder aufzunehmen. Der neueste Streich von Sting ist eine CD mit seinen alten Hits, eingespielt mit einem Symphonieorchester. Das Machwerk erschien heuer im März und ist schlimmer als Fahrstuhlmusik. Natürlich ging Sting gleich mit dem kompletten Orchester auf Tournee – im November gibt’s ein Konzert auch in Wien. Inzwischen gibt es auch schon die Live-CD vom Konzert in Berlin. Ein Drama und der kreative Verfall eines einstig Großen. Denn irgendwann machte der Mann mal wirklich gute Musik.
Vor seiner großen Musikkarriere war Sting Lehrer. Somit verwundert es nicht, dass der Kerl immer schon ein bisschen „obergscheit“ rübergekommen ist. Sting wusste immer was Sache ist. Er hat schon Hektarweise Regenwald gekauft und gerettet als Al Gore noch die Papierkübel im Office der Demokraten auslehren musste. Seine Soloplatten waren somit meist belehrend, ernsthaft und so gar nicht lustig. Die Alben hießen dann auch „The Soul Cages“ & „Mercury falling“ oder zitierten gleich Shakespeare wie „Nothing like the sun“. Bei Sting war Popmusik immer ein bisschen wie nachsitzen – zuhören, büffeln und schweigen.
Seine Kollegen Stuart Copeland und Andy Summer von der gemeinsamen Band Police hatten damals noch Einfluss auf Sting und fungierten als gesundes Korrektiv. Das ist leider schon lange vorbei. Bessere Songs als in den sechs Jahren mit Police schrieb der Pauker nie wieder. Solo ging er dann gleich mal mit Jazzmusikern auf Tournee verlor sich in verlogener Weltmusik und langweilte seine Fans mit durchschnittlicher aber dafür umso bedeutungsschwangere Musik. Zu dieser Zeit (1985 – 2000) konnte man Sting zumindest irgendwo zwischen Phil Collins, Eric Clapton & Rod Stewart platzieren. Die Kerle stören nicht wirklich, veröffentlichen alle paar Jahre ihre Reißbrettproduktionen und liefern den notwendigen Soundtrack für Armani, Duftwässerchen und Lifestyle. Aber in den letzten Jahren funktionierte nicht mal das mehr. Der Mann langweilt nur noch und verwundert seine letzten treuen Fans.
Aber wer will es dem eitlen Gockel schon sagen. Denn jeder der mit Lehrern zu tun hatte weiß, dass Schweigen Gold ist. Die Kerle haben immer recht.
Andi Bauer

3. Oktober 2010

Sunday morning coming down....Imagine, there is no……..Fear

Anlässlich des 70igsten Geburtstag von John Lennon der pompös, mit viel Trara und (wieder mal) Neuauflagen seiner CDs gefeiert wird, darf an dieser Stelle auch was bemerkt werden. Lennons berühmtester Solohit – „Imagine“ – ist unerträglich, naiver Hippiekitsch. Eine pseudopazifistische, heuchlerische Anklage gegen die Welt im Allgemeinen - wer „die Welt“ auch immer ist - welche von Linken, Weltverbesseren und Besserwissern gleich einem Schild seit 40 Jahren vor sich hergetragen wird.

“Imagine there's no Heaven
It's easy if you try
No hell below us
Above us only sky
Imagine all the people
Living for today”

Es wäre ja schön wenn alle Anderen alles besser machen würden, solange man selber nichts ändern muss – tolle Botschaft. Nachdem das Lied zur inoffiziellen Antikriegshymne gegen alles Böse erklärt wurde, und im Zuge dessen von allen Radiostationen zu Tode geduldet wurde. Nachdem zahlreiche Künstlern von Stevie Wonder bis Jack Johnson brave Coverversionen der Nummer abgeliefert haben. Nach alldem, macht sich inzwischen beim Autor dieser Zeilen die leise Hoffnung breit, dass es jetzt genug ist mit dem Gesülze. Es sollte inzwischen reichen und man kann mit ruhig Gewissen dieses Liedchen zu Grabe tragen. Vielleicht gilt es diesen einen Geburtstag noch zu überstehen, aber dann………….
Die Rettung kommt jedoch aus einer völlig unerwarteten Richtung und heißt Antony Heagerty, welcher mit seiner Band Antony and the Johnsons drei wunderschöne Popalben veröffentlichte und seinen entzückten Hörern die bezauberndsten Lieder jenseits dem seligen Wolferl Amadeus schenkte. Antony wird am 8. Oktober sein viertes Album veröffentlichen, vorher gabs zum Einstieg eine EP (Minialbum) welches fünf Lieder enthält. Einer davon ist eine Coverversion von „Imagine“, welche durch einen mutigen Kniff das Lied aus seinem Jammertal befreit und ins himmlische Licht führt. Antony singt „Imagine“ in der ersten Person und rückt somit, sich selbst in die Rolle des Handelnden

„Imagine there is no heaven - It was easy when I tried”

Und er singt das Lied mit seiner engelsgleichen Stimme geduckt und in demütiger Zurückhaltung. Das Lied wirkt bei Antony wie eine persönliche Selbstreflektion des Künstlers bei welcher der Zuhörer unfreiwillig Zeuge wird. Und wenn Antony darüber singt, das er ES versucht hat dann führt er mit diesen einzigen Satz alle Friedensbewegungen dorthin wo der Friede wirklich beginnt. Bei jedem Einzelnen. Lennon war zwar immer ein großer Kritiker und Stänkerer aber diesen Mut hatte er nie. Es ist möglicherweise unbewusst Antony`s Geburtstagsgeschenk an John Lennon –„Imagine“ vom Schmalz und der Heuchelei zu befreien.
Andi Bauer