20. Juli 2009

Entzaubert

Harry Potter und der Halbblutprinz

 

Es sei an dieser Stelle noch mal ausdrücklich erwähnt. Joanne K. Rowlings Harry Potter Bücher sind wunderbar, haben Kinder zum lesen inspiriert und sowohl jung wie alt begeistert. Und wenn die Filme bewirken, dass dadurch Menschen wieder mehr zu den Bücher greifen kann man sich darüber nur freuen. Ob die aktuelle Hary Potter Verfilmung Menschen zum lesen anregt darf jedoch aufrecht bezweifelt werden. Natürlich ist es unmöglich ein 500 Seiten starkes Buch seitengerecht auf die Leinwand zu bringen. Es wäre jedoch wünschenswert das sich die Produzenten auf Aspekte des Buches konzentriert hätten welche die Tiefe der Charaktere mehr ausleuchtet und auch die Geschichte als solches weitererzählt. Rowlings Bücher sind eben eine Serie und mit jedem Band wurden die Figuren vertieft und die Motive der einzelnen klarer herausgearbeitet. Im sechsten Band „Der Halbblutprinz“ erfahren wir erhellendes über Nevilles Geschichte (essentiell für das siebte Buch), umfangreiches über Voldemorts Vergangenheit, über seine Eltern und seine Wandlung zum Bösen (unverzichtbar) und über Harry`s persönlichen Rückzug und schwellender Streit mit seinen Freunden. All dies ignoriert der Film, stattdessen wird effektvoll eine Brücke zerstört (kommt nicht im Buch vor) und der Zuseher mit kindischen Witzen und Teenager Klamauk belästigt. Man hat den Eindruck das Frau Rowling schon lange keinen Einfluss auf die Entwicklung der Filme mehr hat und die Macher nicht mal das siebte Buch gelesen haben. Die jetzt ignorierten Handlungsstränge werden bei der Verfilmung des siebten Bandes bitter fehlen.

Hollywood hat einfach übersehen das die Harry Potter Buchreihe mit ihren Lesern gereift ist und die Bücher mit jedem Band erwachsener wurden. Anscheinend versucht man mit dem neuen Film immer noch den Allerjüngsten zu gefallen – ein fataler Fehler. Die Potterbücher sind schon lange keine Kinderbücher mehr und es wäre wünschenswert die Filme auch für denkende Erwachsene zu konzipieren. So ist der Halbblutprinz eine leidlich spannende Fantasiegeschichte welche es allen recht machen will und dadurch zwischen den Stühlen hängen bleibt. Regisseur David Yates darf man keinen Vorwurf machen. Der Brite ist nur das Feigenblatt für die Produzenten aus Hollywood welche die Fäden im Hintergrund ziehen und darauf achten ihre erfolgreiche Serie weiterhin in gewinnbringende Häfen zu steuern. Das Rekordergebnis am Startwochenende - weltweites Einspiel von 400 Millionen Dollar in den ersten 5 Tagen – wird die Herren bezüglich ihren fragwürdigen inhaltlichen Entscheidungen vermutlich weiter bestärken. Leider.

 

Andi Bauer

 

 

16. Juli 2009

Das Lächeln der Wiener

Ich war wieder mal in Wien. Als geborener Oberösterreicher und Wahltiroler ist es für mich immer wieder schön ein paar Tage in Wien zu verbringen. Geschäftspartner und Freunde treffen, U-Bahn fahren, Filme im Original im Kino schauen und natürlich die Wiener treffen. In Tirol wird man ja unaufgefordert auf der Strasse gegrüßt und angelächelt – von Fremden!!! Ich habe diesmal in der Wiener U-Bahn ein paar mir unbekannte Menschen angelächelt. Die Reaktionen reichten von Verwunderung über Ignoranz bis zur Meldung ob ich denn Drogen genommen hätte weil ich so blöd grinse. Ja, ich hab sie vermisst, die Wiener Freundlichkeit (lt. Tourismusbüro) und leider immer noch nicht gefunden – das goldene Wienerherz. Schon oft davon gehört und gelesen – aber leider noch nicht entdeckt. Ich bin überzeugt davon, daß der Urwiener von sich glaubt das „Goldene Wienerherz“ zu haben. Es fällt trotzdem Außenstehenden (Ausländern) zunehmend schwer dieses mystische Geheimnis der Wiener zu entdecken. Vielleicht hilft es sich an den obersten Würdenträger dieser schönen Stadt zu orientieren um den verborgenen Charme der Wiener zu erhaschen und zu verstehen.

Das wäre dann der ehrenwerte Bürgermeister Häupl. Dieser pendelt in diesem Sommer zwischen Lifeball (brauch ma unbedingt is wöltoffen) dem neuen (unfertigen und bissi teuren) Terminal am Flughafen (geht mi nix an) und dem Donauinselfest (findet statt, ganz egal wos es kost). Gibt sich in Interviews grundsätzlich arrogant und grantig (da könnte so mancher Kaffehaus-Ober noch was lernen) und herrscht über die Stadt wie ein römischer Imperator ohne Senat. Ich werde aber meine Suche nach dem goldenen Wienerherz nicht aufgeben. Sollte jemand zwischenzeitlich fündig werden, bitte unbedingt bei mir abgeben – hohe Belohnung ist garantiert (mindestens ein Tiroler Lächeln und eine amerikanische Umarmung) Und bis dahin kann ich nur empfehlen das neue Album von Wilco zu hören – vertreibt die dunkelsten Wolken.  

 

Andi Bauer

 

13. Juli 2009

Die drei Leben des Michael Jackson

Die drei Leben des Michael Jackson

 

 

Was bleibt von Michael Jackson. Über 100.000 Cds gingen am Tag seines Todes allein in den USA über den Ladentisch, phasenweise knickte sogar das Internet ein und weltweit werden die Menschen stündlich via TV und Radio über den verstorbenen Künstler informiert. Millionen Menschen auf den Straßen singen seine Lieder. Viele Menschen sind überrascht über die große Anteilnahme, freilich Mitarbeiter seiner Plattenfirma Sony sagten bereits vor Jahren hinter vorgehaltener Hand: „Der muss erst sterben um wieder ordentlich CDs zu verkaufen“

Denn so aufgeregt jetzt alle den verstorbenen Musiker umschwirren, Jacksons Karriere war ähnlich wie die von Elvis oder Österreichs prominentesten Popstars Falco zum Zeitpunkt des Todes schon lange vorbei. Elvis spielte in den 70er Jahren nur mehr peinliche Konzerte in Las Vegas und Falco arbeitete über 6 Jahre an seinem Comeback und verschob die Platte immer wieder aus Angst vor einem Flop.

 

Im Falle von Michael Jackson wäre es falsch sich von den 50 ausverkauften Konzerten täuschen zu lassen. Dieses als Comeback getarntes Lebenszeichen des Künstlers war viel mehr ein Abgesang und für die meisten Fans eine letzte Chance den Musiker noch mal live zu erleben. Jackson selbst sprach von „last time in London“. Denn wenn Bruce Springsteen wie letzten Sonntag sich wieder mal die Ehre gibt in Wien aufzutreten, dann weiß der treue Fan, dass es in zwei oder drei Jahren wieder eine verlässliche Europatournee geben wird. Verlässlichkeit hat Michael Jackson in den letzten 15 Jahren nicht mehr vermittelt. Seine letzte Welttournee war 1995-1996, seitdem gab es sporadische Auftritte, wunderliche Preiskonferenzen und mehr Absagen und Verschiebungen als tatsächlich stattfindende Ereignisse.

Es ist eigentlich unverantwortlich das sowohl Ärzte, wie sein Management diese 50 Konzerte zuließen, denn niemand aus seinem engeren Umfeld glaubte noch daran das der Künstler fähig wäre all diese Konzerte tatsächlich zu absolvieren. Jetzt sind natürlich wieder alle „Freunde“ und Berater klüger und zutiefst betroffen.

 

Was führte dazu, dass dieser einst größte Popstar der Welt tiefer als jeder Andere fiel und sein Leben so einen tragischen Ausgang nahm.

Jackson war weder der geniale Musiker noch der talentierte Songwriter wie es jetzt allerorts vollmundig behauptet wird. Er war viel mehr ein begnadeter Sänger welcher seine Stimme als eigenes Instrument einsetzte und er war - noch viel mehr - ein Performer. Ein brillanter Tänzer und Sänger der auf der Bühne seine letzte wahre Heimat fand. Auf der Bühne blühte er auf und nur wenn er tanzte und sang war er letztlich ganz bei sich.

Tanzen und singen war sein Leben. Michael Jackson hatte offensichtlich keine Chance eine starke eigenständige Persönlichkeit zu entwickeln, welche fähig wäre das Leben abseits der großen Bühne zu meistern. Jacksons Karriere und damit sein Leben, welches ja unweigerlich von seinem frühen Karrierestart geprägt und dominiert war, kann ich drei großen Abschnitten betrachtet werden. Diese Abschnitte wurden jedoch nicht vom Künstler selbst sondern von seinen Begleitern, Mentoren und Beratern geprägt.

In seiner ersten Karrierephase als Kinderstar - und dies wurde bereits zur Genüge abgehandelt - prägte der dominante Vater das Leben und die Karriere des jungen Michaels. Joe Jackson erkannte früh das große Talent seines Sohnes als Sänger und Performer und prügelte den Jungen buchstäblich von Auftritt zu Auftritt. Der junge Michael hinterließ gemeinsam mit seinen Brüdern als Jackson 5 brillante R&B Singles auf de Motown Label und zahlte den Preis für den frühen Ruhm mit einer verlorenen Kindheit.

1979 unterschrieb der 21 jährige Michael Jackson beim Label Epic -  betreut und vertrieben von CBS - und begann seine zweite Karrierephase welche ihm den Titel King of Pop bescherte und zum Plattenmillionär katapultierte. Jackson nabelte sich von seinem Vater ab und wurde in dieser Phase von drei anderen „Vaterfiguren“ begleitet. Diese waren Walter Yetnikoff (damaliger CEO von CBS-records), Frank DiLeo (Jacksons Leibwächter) und Quincy Jones (Produzent). Yetnikoff erfasste Ende der 70er instinktiv Jacksons Talent und schuf für den Künstler einen großzügigen Rahmen künstlerischer Freiheit. Er hielt Michael den Rücken frei sich musikalisch zu entfalten. Sein erstes Soloalbum Off the Wall war bereits – jedoch nur in den USA - ein Riesenhit mit drei Top Ten Singles. Als jedoch Yetnikoff Thriller das erste Mal hörte, wusste er, dass er hier einen Welthit in den Händen hielt. Yetnikoff setzte MTV unter Druck das Video von Billy Jean zu spielen. Der damals noch junge Sender weigerte sich das Video eines schwarzen Künstlers zu spielen. Yenktioff drohte den Sender in Zukunft zu boykottieren, sollten Sie das Jackson Video nicht spielen. Keine Videos mehr für den Sendern von anderen CBS Künstlern wie Bruce Springsteen, Billy Joel, Bob Dylan oder Barbara Streisand.

Die Verantwortlichen von MTV gaben nach und sendeten das Video von Billy Jean. Die Bilder des tanzenden und singenden Jacksons gingen um die Welt. Die Single schoss weltweit in die Charts, das Album wurde zum meistverkauften in der Popgeschichte und Michael Jackson ein globaler Superstar.

Frank DiLeo war zuerst Jacksons Leibwächter und auch väterlicher Freund und wurde bald zu seinem Manager. DiLeo schirmte Jackson ab, schützte den scheuen Star vor der Presse und Fans und plante und gestaltete dessen Karriere. DiLeo war Konstrukteur der unzähligen Kooperationen, welche Jacksons Ruhm ausbauten.

Der möglicherweise wichtigste Mann in Jacksons Karriere war jedoch Quincy Jones. Der Jazzmusiker und Produzent produzierte Michael Jacksons drei besten Alben. Off the Wall 1979, Thriller 1982 und Bad 1987. So talentiert Jackson auch war, es bedurfte eines musikalischen Direktors das Genie des Künstlers in die richtigen Kanäle zu leiten und auch eine adäquate musikalische Ausdrucksform zu finden. Quincy Jones Produktion ist von einer musikalischen Finesse welche heute noch staunen lässt. Er schaffte es einen schwarzen Sänger weiße Popmusik so singen zu lassen das wahrhaftig etwas Neues entstand. Die Musik in dieser Phase vereinte Welten. Schwarze und Weiße, alle konnten sich auf Jackson einigen. Pop & Rock, Soul & Disco, Quincy Jones vermengt die Stile und schuf etwas Neues welches doch vertraut wirkte. Michael Jackson wurde durch seine Musik zum ersten globalen Popstar welcher jede bestehende Kategorie durchbrach. Seine Musik war weder schwarz noch weiß oder Pop und Rock. Dieser Status wurde durch seine Welttourneen und phänomenalen Konzerte nur noch untermauert.

1989 war ein weiteres Schicksalsjahr in Jacksons Karriere. Der Künstler feuerte seinen Manager Frank DiLeo und trennte sich von seinem Produzenten Quincy Jones. Jackson wollte den Ruhm nicht mehr mit anderen teilen. Inzwischen kaufte Sony CBS und trennte sich von Walter Yetnikoff. Die drei wichtigsten Wegbegleiter von Michael Jackson verließen das Umfeld des Künstlers.

Seitdem verschließ Jackson 11 Manager und bei seinen Plattenproduktionen unzählige Produzenten. Sein Album Dangerous von 1991 listet bei einzelnen Songs oft 4 oder 5 verschiedene Produzenten auf. Die Musik war hörbar schwächer, die Lieder beliebiger und die Stunden im Studio dafür länger. Es war der Anfang vom Ende der Karriere des Künstlers. Das nachfolgenden Album History 1995 war musikalisch nur ein mehr ein Schatten der brillanten Frühwerke, transportierte jedoch das Ego eines bereits völlig abgehobenen Künstlers welcher sich seiner Möglichkeiten und Grenzen schon lange nicht mehr bewusst war.  Umgeben von falschen Freunden und selbstsüchtigen Beratern wurden zu viele falsche Entscheidungen getroffen. Sein letztes Studioalbum „Invincible“ kostete Unsummen, war musikalisch erbärmlich und kommerziell ein Flop. Seit dem erschienen vier verschiedene Greatest-Hits CDs. Kein Zeichen für ein Comeback, sondern vielmehr ein Ausdruck größter Unsicherheit.

Michael Jackson hat mit Thriller das Musikbusiness revolutioniert und durch seine Musik Grenzen und Konzepte eingerissen. Und er war ein Mensch der leider nur auf der Bühne bei sich sein konnte. Denn damals sang und tanze er wie von Göttern geküsst. Besser wurde er nicht mehr - und Popmusik auch nicht.

 

Andreas Bauer